Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent Geschichten für Weihnachtsmuffel
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Dies ist das Haus vom Nikolaus

© Linni Lind

Sind Sie am 6. Dezember zufällig Mutter und sollen die Stiefel heraus, erst spät vor die Tür, damit es niemand vorzeitig sieht?

Dann will ich auch Ihnen mal was vor die Tür, denn ich muss keine Stiefel mehr füllen, und niemand wird dick davon werden! Das sage ich nur, weil meine eigenen Kinder kontinuierlich dicker wurden um diese Zeit!

Ich aber liege seit dem 6. Dezember schlaflos im Bett, ich schlafe den halben Monat nicht mehr, ich liege gefangen wie ein Knecht in der Zelle, und die Zelle ist in der Nacht dieses Bett und am Tag bin ich's selber. Ich denke nach, wie ich's machen soll, was kaufen, wann backen, wie verpacken, wann verschicken, was anziehen, was noch und das hattest du doch schon wieder vergessen, Herrgottsakra!

Sie kennen es, wenn das beginnt, was mit flu anfängt und aufhört mit chen. Nicht flüchten, nein, das wäre der völlige Untergang! Wäre menschlich nicht möglich! Bloß, dass nicht alles durcheinander gerät, und dass ich nicht auch noch durcheinander gerate und vielleicht überdies noch verrückt ... und merke, wie langsam die Augen schleichen, wie zwei Diebe sich auf und davon, wie sie leise das zweite Wörtchen auswählen, denn fluchen können sie nicht, und denke noch, wie leicht sie doch ausbrechen können aus dieser Zelle und das Weite aufsuchen, und das reimt sich auf Fluchen! Vermutlich, wer kann sie schon fragen, weil sie direkt unter dem Fenster schlafen oder eben nicht schlafen, und das Fenster ist nicht verschlossen oder nur so nach oben gekippt, wie das an der Autobahn, wenn Sie mal schnell wohin, und dann hocken Sie unter dieser undurchsichtig gewellten Scheibe mit frischem Plastikgeruch, etwa 50 x 100 cm groß, direkt über den Augen, und können weder hinaus, noch andere hinein, wenn die Tür mal nicht auf geht. Lieber halte ich meins immer weit offen, so dass da kein Fenster ist, sondern ein Loch! Und meine Augen können direkt in den Himmel und jetzt flüchten sie, weil sie nicht schlafen können, rennen in alle möglichen Weiten bis hin zu den Sternen und dann vielleicht noch woanders hin! Denn von den winzigen Lichtern, sehen Sie, die, die da blinken, ist nur eines ein Stern, vielleicht auch mal zwei oder drei, alle anderen sind gar keine Sterne, sondern sind Flugzeuge, die sich nur, weil sie so weit sind, ganz langsam fortbewegen, und meine Augen können sich gar nicht entscheiden, ob sie das Sternlicht oder lieber das Flugzeug nehmen? Aber, wer weiß schon, was Augen so denken?

Noch vor dem 6. Dezember war diese Wirklichkeit aus Licht und aus Schein immer sehr schön! Es ist doch schön, haben wir beide gedacht, meine Augen und ich, wenn wir nachts wach wurden, so schön das Woanders und Hier, Vergehen und Bleiben zugleich!

Vielleicht sollte ich genauer erklären, was ich meine damit: wenn dort oben das Leben fliegt, so, wie hier unten und oben wie unten, überall könnten Sie flüchten, das Flugzeug nehmen oder das Fenster, wenn Ihnen einmal etwas nicht passt, und Sie wollen sich einmal verändern, und das ist seit zweitausend Jahren schon so, und es ist wie die Sterne, denn die sind oft seit Jahrzehnten erloschen, und Sie sehen heute noch Licht, das solange braucht, bis es auch mal erlischt, dann ist das doch außergewöhnlich und schön, und Ungewissheit kann so wunderbar sein, wie Sterne es sind!

Eine andere Leuchtung, da, sehen Sie, die, die da blinkt - kaum sichtbar - rechts rot, ist ein Flugzeug auf dem Weg von Frankfurt nach China. Blinkt sie links rot, dann nach Grönland vielleicht. Eine Sekunde Flugzeugschein blinkt in die außergewöhnliche Wirklichkeit Chinas!

Wir liegen mit unserem Loch genau drunter und verschweben von Wahrheit zu Wahrheit, meine Augen und ich!

In den nächsten Minuten ist dann alles schon wieder vorbei, nur vielleicht taucht irgendwo wieder ein Stern auf - oder wieder ein flackerndes Licht? Die Täuschung ist schwer zu erkennen!

Das gibt zu denken, finden Sie nicht?

Heute Nacht, bevor meine Augen so weit weg, und wir gedanklich noch in den unverpackten Geschenken, konnten wir drei Sternschnuppen sehen. Kann das denn sein, fragten sie mich, in unserem kleinen Fenster stürzen dreimal drei Sterne? Drei Schnuppen in 50 x 100 cm?

Doch, das kann sein, im Dezember gibt es die meisten dieser kleinen Teilchen, die sich von einem explodierten Stern einmal abgelöst haben, mit rasender Geschwindigkeit durchs Weltall sausen, dann, aus Versehen in die Erdatmosphäre eintreten und bis zu uns hin verglühen. In acht Tagen wird es sein, in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember, da flammen 120 Sternschnuppen auf uns zu, so stand es letztes Jahr in der Zeitung, also stündlich zehn, und sie fallen mit einer Geschwindigkeit von rund 126000 Stundenkilometern herunter. Am besten Sie gucken von 21 bis 6 Uhr in der Früh selber mal nach!

Mein Wunsch war, als die Sternschnuppen fielen, anders als sonst. Man soll es nicht sagen, nur ganz schnell was wünschen, und ich dachte noch, dass die vielen Schnuppen vielleicht extra im Dezember zu mir . . . jedenfalls gefiel mir das Zeichen gleich besser als diese Tanne, die oft so leicht brennt. Wäre doch viel gescheiter, habe ich schnell zu den Augen gesagt, wir wünschten uns nicht Kaufhofgeschenke vom Christkind, sondern Liebe und bessere Chancen von den Schnuppen, und wir haben nicht ans Flüchten gedacht!

Einmal angenommen: einen Monat lang, nur im Dezember, hätten 10 Milliarden Menschen nur 10 Sternschnuppenwünsche, man muss ja nicht so genau zählen, und schrieben sie dann am Tag in ein Buch? Dann fände das Rennen ein Ende, das hier auf der Erde passiert, sagten meine Augen zu mir! Wir wünschten nicht das, was wir haben, sondern das, was uns fehlt! Aus der Galaxie fielen sozusagen die Wünsche herunter, wir bräuchten sie nicht zu verpacken, nur öffnen! In der Atmosphäre, genau genommen in einem Spaceship wäre die Geburt dann gewesen, nicht mehr im Kaufhof mit Krippe und Esel.

Vielleicht könnten einige das nicht verstehen und würden etwas vermissen? Wären traurig darüber, dass irgendwas fehlt, was sie so lange schon kennen? Aber die Menschen von heute, die Kinder würden doch lieber im Spaceship Geschenke auspacken als unter dem Baum, der, wie gesagt, dabei anbrennen kann. Und wären manche Mütter wie wir doch noch ratlos: sollen wir nun Fichten vergolden und Engel aus Gips, oder sollen wir nicht? Nein, die Fichten blieben grün, wie sie sind, und wir dürften in ein Poesie-Album schreiben, anstatt einen Baum abzuhacken. Alle Jahre wieder dürften wir Ideen und Wünsche für die Sternschnuppen schreiben, wir dürfen bunte Girlanden um hohe Tore, und wer kann, könnte Engel und Glitzer und Krippen malen, auch Fichten natürlich, alles, was die Augen sich wünschen!

Man wäre heute durchaus in der Lage, die Wünsche zu speichern, um eine realistische Auswahl zu treffen für ein schöneres Leben. Ja, die Universitäten hätten Freude daran, alles nach Gut und nach Schlecht zu ordnen, Analysen zu machen für eine Wirklichkeit, die wir gern hätten. Nicht nur immer mehr Sachen! Omas würden Weltraumanzüge nähen für die Enkel, Opas könnten Weihnachtslieder erfinden und Väter könnten die Spaceships bauen. Fast einen Monat lang könnte Weihnachten dauern, denn wir säßen ja an den Fenstern, bei Dämmerlicht schon, die Kinderchen auf dem Schoß, die größeren in den Armen, und würden Sternschnuppen gucken, und alle dürften was wünschen, auch Sie!

Sie hätten jetzt viel weniger Arbeit und könnten ruhig schlafen, denn wir schliefen alle im selben Bett ein wegen der Schnuppen! Würden am Tag in Poesiebüchern blättern und könnten die richtigen Wünsche erfüllen, unverpackt und ohne den Kaufhof, denn sie wären nicht aus Blech oder aus Plastik, sondern sie stünden geschrieben wie: hab mich lieb, achte mich, höre mir zu, rede mit mir, sei mein Freund, sieh mal die Tiere, geh nicht fort, verzeih meine Lüge, vergib mir die Grobheit, lehre mich lernen, werde gesund . . . und Sie wissen besser, was Sie sich selbst einmal wünschten. Und bestimmt waren das keine Dinge in Päckchen, bestimmt haben Sie den Wunsch schnell schon gewusst, weil er Ihnen unter den Nägeln brannte!

Wir würden nicht zusammenbrechen daran, nein, die Wirtschaft hätte auch einen Nutzen, denn die Weltraumbehörde bräuchte Geräte, um neue Weissagungen machen zu können, und neue Arbeit würde es geben. Aus den Raumschiffen könnten wir die Welt im Ganzen betrachten und von weit oben sähe man besser, wo etwas fehlt, was zuerst repariert, was danach verändert und hinzugefügt werden müsste, damit das Gemetzel aufhört, und es den Menschen gut ergeht, ihr kleines Weilchen hier unten auf Erden.

Sollten Sie doch an der alten Erfindung noch hängen, an der Krippe und den drei Weisen, könnte man den Übergang vom Stall zum Himmel hin etwas erleichtern: die chinesische Industrie würde einen weiß aufgeschäumten Tannenbaum bauen, dick mit Eischnee bedeckt und all überall von Zuckerperlchen durchzogen, und ihn dann in die Wolkengebilde bis zu Ihren Augen hin schicken, sollten die doch noch mal flüchten wollen.

Ich könnte ausgeschlafen auch wieder feiern, könnte von einem Englein erzählen, das einmal ein Christkind war, von einem Mann, der heute tief schläft. Dürfte den Enkeln erzählen, dass sie selber die Engel sind und ihre Eltern könnten der Heiland sein. Jetzt kennen Sie Ihren Nikolausschuh: einfach das Haus durchstreichen und dann ist schon Ruh!

Doch schöner noch als der größte Schuh dieser Welt, der Gang durch die Wiesen, westwärts, gen Abend, wenn jede Regung erstillt, setzen wir die Füße mit Sorgfalt!

Wenn es dunkelt!

Wenn das lange Gras an den Spitzen noch von der Sonne beschienen! Wenn das mit Abendrot überflutete Land sich talwärts - vor unseren Augen - auflöst in fernes Blau, wenn endlose Gegenwart flüchtig uns mitnehmen will!

Jedes Ding, das wir sehen, verdeckt ein anderes, und wir würden nur einmal sehen, was uns diese Weite verdeckt?

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