Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Weihnachten Weihnachtsgeschichten für Kinder Weihnacht Advent
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Der erfüllte Wunsch

© Doris Thomas

Es ist Dezember. Der Nikolaus ist bereits dagewesen. Jetzt fällt Martin ein, dass Weihnachten langsam und unaufhaltsam näher rückt. Martin sitzt auf seinem Bett und überlegt. Fragend blickt er in seinem Zimmer herum und muss feststellen, dass er irgendwie schon alles hat. Die Carrerabahn liegt abgebaut auf dem Dachboden. "Da bleiben eh immer die Autos stehen", denkt sich Martin.

Aber für eine Hot Wheels Bahn stehen die Chancen schlecht, die Eltern nehmen an, dass DIE dann auch bald ungenutzt herumliegt. Martin grübelt. Er denkt an seine vielen Pokemon Karten, die Kisten voller Lego und die Riesensammlung von Bionicles.

Ratlos schubst Martin eine dicken Flummi zwischen seinen Füßen hin und her. "Was könnte ich mir denn bloß wünschen?", stöhnt er.

Da plötzlich schießt er den Flummi gezielt durch seine offene Tür. Dieser kollert noch ein bisschen, bis er schließlich die Holztreppe erreicht und dann titscht er mit einem gleichmäßigen achtfachen Dong die ersten Stufen hinunter. Als bräuchte er eine kurze Verschnaufpause, kullert er auf dem Podest auf halber Höhe zwischen Erdgeschoß und erstem Stock herum. Dann scheint er sich doch für den Weg nach unten zu entscheiden und hüpft mit acht weiteren Dongs bis ins Erdgeschoß. Hier reicht der Schwung nun aus, um den Weg zur Küche zurückzulegen. Zielsicher nähert sich der Gummiball nun den Füßen der Mutter. Bereits durch das unverwechselbare Dong in 16-facher Ausfertigung vorgewarnt, hat sie sich dem Flur erwartungsvoll zugewandt.

"Martin, soll ich mir das Genick brechen?", ruft sie ziemlich gereizt in den ersten Stock hinauf.

Aber Martin ist beschäftigt. Er hat sich einen leeren Zettel gesucht und mit großen Druckbuchstaben "WUNSCHZETTEL" darauf geschrieben. Offenbar ist ihm inzwischen ein Wunsch eingefallen. Er schreibt, ballt die Faust und sagt "Ja!", als habe er einen Sieg errungen. Hastig rennt er die Treppe hinunter und eilt weiter in die Küche … wo immer noch ziemlich knurrig seine Mutter auf eine Antwort wartet. Gerade noch kann Martin den bedrohlichen Gesichtsausdruck bemerken.

"Hubs, Entschuldigung!," stammelt er. Aber anstatt den Flummi aufzuheben, schubst er ihn nur in Richtung Küchentisch.

Obwohl sich das Gesicht seiner Mutter nicht wirklich aufgehellt hat, wedelt Martin nun seinen Wunschzettel vor ihrer Nase herum. Genervt grabscht die Mutter den Wunschzettel und scheucht Martin in Richtung Flummi, um ihn aufzuheben "Ich bin gerade am Kochen. Ich schaue mir das später an." Und dann legt sie den Zettel auf die Eckbank.

Auf dem Wunschzettel steht kurz und knapp ein Wunsch: Ein toller Torschuss, nur für mich … ausgeführt von Michael Ballack!

Martin fühlt sich jetzt prima, da er ja seine Weihnachtsbestellung abgegeben hat. Zufrieden marschiert er in sein Zimmer und denkt nicht mehr an den Wunschzettel. Für ihn ist die Sache nun erledigt. Er kann ja nicht wissen, dass kurz nach ihm seine kleine Schwester in die Küche saust, um Mama die neuesten Diddl Zeichnungen zu zeigen. "Leg sie auf die Eckbank, ich habe gerade nasse Hände."

Als abends der Vater nach Hause kommt, legt er die Tageszeitung ab ... wohin? … na logisch, auch noch auf die Eckbank.

Am nächsten Morgen nimmt die Mutter die abgelegten Papiere von der Bank, bemerkt die einzelnen Blätter unter der Zeitung und steckt sie in die Schublade für: "Besondere Sachen - Aufheben". Dann denkt sie nicht weiter daran, weil sie sicher ist, dass in den nächsten Tagen sowieso noch viele "Kunstwerke" dazu kommen werden.

So rückt Weihnachten näher und näher. Martin ist voller Vorfreude. Er kann sich zwar nicht vorstellen, wie die Eltern an Michael Ballack herankommen sollen, aber wenn es doch sein einziger und überhaupt größter Wunsch ist ?!

Und dann kommt der Heilige Abend. Wie jedes Jahr muss er mit der Familie in die Kirche. Wie jedes Jahr stöhnt und meckert er vorher herum und wie jedes Jahr gefällt ihm die Messe dann doch … was er natürlich nie zugeben würde.

Als jetzt der Moment der Bescherung kommt, hält er schon nach dem Tor Ausschau, was ja irgendwo aufgebaut sein müsste. Vielleicht wartet Ballack ja auf dem Gästeklo. Im Haus brennt kaum ein Licht. Lediglich ein paar Kerzen flackern. So sehr er auch die Augen zusammenkneift, er kann nichts entdecken.

Einer der Eltern hat unbemerkt die Lichterkette am Weihnachtsbaum eingeschaltet. "Oh, am Baum brennt ja ein Lämpchen nicht", bemerkt sein Vater und hurtet schnell in Richtung Christbaum. Zu schnell, denn er rutscht auf der untergelegten Decke aus. Seine Beine sausen nach vorne und er landet unsanft auf dem Hosenboden. Im Flug erwischt er aber mit dem Fuß noch den neuen Schihelm für Martin, der einen Moment vorher noch friedlich unter dem Baum gelegen hatte. Der Helm saust wie in Zeitlupe hoch in Luft, dreht sich einmal und landet wie durch einen Präzisionsschuss auf der Spitze des Baumes.

Diese ist allerdings für eine derartige Belastung nicht geeignet. Und so neigt sich die ganze obere Baumhälfte gefährlich in Richtung Esszimmertisch. Nun ist der Baum dann schief genug, um sein ungewolltes Gewicht wieder loszuwerden. Der Helm rutscht von der Spitze ab, landet mitten auf dem gedeckten Tisch und zertrümmert dabei erst einmal eine hundsteure Kaffeetasse mitsamt Unterteller. Wie ein Stürmer in Torrausch kullert der Helm dann weiter zwischen dem guten Geschirr und hinterlässt nach wilden Geschepper und Geklirre einen Ort der Verwüstung.

Gleichzeitig zu diesem Schauspiel vollführt der nun erleichterte Weihnachtsbaum ein wahres Freudentänzchen. Zuerst richtet er sich mit Schwung wieder auf und schießt dabei wie ein Katapult die silberne Baumspitze, die wie durch ein Wunder noch auf der Spitze sitzt, in Richtung Fernseher ab. Glücklicherweise reicht für einen Volltreffer der Schwung nicht aus und so zerklatscht die Spitze bereits am Wohnzimmerschrank. Der Baum schwingt hin und her. Die Befestigung der Kugeln ist jedoch nicht für solche Erschütterungen geeignet, und so purzeln drei rote, zwei blaue und eine goldene Kugel über die Zweige hinunter und zerspringen auf dem Boden in tausend Scherben. Der Vater rappelt sich auf, stürzt sich auf den Baum und versucht, ihn festzuhalten. Dabei verfängt er sich hoffnungslos im silbernen Lametta.

Weil er nicht mehr genug sieht, verheddert er sich nun auch noch in dem Kabel der elektrischen Kerzen. Mit den Füßen mitten in den schön verpackten Geschenken stehend, greift er nach dem Baum.

"Vorsicht, die Kugeln", brüllt die Mutter noch.

Der Vater zieht seinen Arm noch einmal zurück, verliert aber fast das Gleichgewicht, weil er nicht in die Scherben treten will. Inzwischen hängt sein rechter Arm zwischen Zweigen, Baumschmuck und Lichterkabel fest. Der Baum wackelt immer noch. Jetzt versucht auch die Mutter, in das Geschehen einzugreifen.

Genau in diesem Moment hat sich der Helm entschlossen, die Tischplatte wieder zu verlassen. Mit seinem letzten bisschen Schwung erreicht er die Kante und plumpst vom Tisch herunter. Er trifft zielsicher die Federpolsterung eines Stuhles und hüpft mit der neu gewonnen Energie wieder in Richtung Baum. Dort ist gerade die Mutter angekommen, erwischt den Helm mit ihrem linken Fuß und schießt ihn so geradewegs an den Hintern des Vaters. Das ist zu viel. Der Vater verliert vollends das Gleichgewicht und fällt mitsamt dem Baum nach vorne. Die Mutter versucht noch das Schlimmste zu verhindern und greift nach dem Pullover des Vaters. Sie hat jedoch das Gewicht unterschätzt und wird einfach mitgerissen. Es knirscht und kracht gewaltig. Mit angehaltenem Atem hat Martin das Schauspiel verfolgt. Seine Schwester hat zwischendurch gekreischt und hin und wieder wild mit den Armen gefuchtelt. Nun stehen beide mit offenem Mund vor der riesigen "Bescherung". Wie durch ein Wunder krabbeln die Eltern unverletzt aus dem Wirrwarr von Zweigen, Lampen, Kugeln, Baumschmuck und Geschenken. Die Mutter zupft sich das Lametta aus den Haaren und der Vater versucht, die piekenden Tannennadeln aus seinem Pullover zu pulen.

Martin ruft begeistert: "Das war ja ein Volltreffer! Besser hätte ein Schuss von Ballack auch nicht sein können"

Erst herrscht einen Moment Stille. Martins Schwester bückt sich nach einem Baumschmuck aus Schokolade, der zwischen die Geschenke gepurzelt war. So als wäre nichts passiert, steht sie schmatzend da. Martin strahlt über das ganze Gesicht. Das war noch viel toller als sein Wunsch auf dem Zettel. Mit aufgerissenen Augen starren die Eltern auf ihre Kinder. Sie schütteln ihre Köpfe und ein Grinsen breitet sich auf ihren Gesichtern aus. Dann müssen sie laut lachen. Martin zieht die Mutter hoch und klopft dem Vater die letzten Nadeln ab.

Jetzt haben sie alle noch viel aufzuräumen. Die Mutter ist etwas traurig über das zerbrochene Geschirr und der Vater kann einfach nicht glauben, was ihm da passiert ist. Aber das macht irgendwie nichts aus. Sie helfen zusammen, um alles wieder schön herzurichten. Und ob Du es glaubst oder nicht, es wird für sie der schönste und lustigste Heiligabend, den sie jemals erlebt haben!

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SPIEGEL ONLINE Bestsellerautorin Patricia Koelle

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