Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent
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Auswanderer

© Curd Berger

Was für ein wunderschönes Land dieses Australien. Wir schreiben den 24. Dezember 2005, es sind +30°C und Gabi bereitet das Barbecue in unserem Garten vor, zu dem wir die Nachbarn eingeladen haben.

Vor 8 Monaten sind wir hier in Adelaide angekommen und ich hätte nie gedacht, dass wir uns so schnell einleben und Anschluss finden werden. Auch unsere beiden Kinder, Marcel, 8Jahre und Katrin, 6 Jahre, fühlen sich pudelwohl und ihre Englischkenntnisse sind fast schon perfekt.

Kurz und gut, es war die richtige Entscheidung, die Leitung unserer Filiale in Australien zu übernehmen.

Nur heute, am heiligen Abend haben wir ein beklemmendes Gefühl. Jedes Jahr haben wir sonst im großen Familienkreis, Eltern, Schwiegereltern und meiner Schwester mit Mann, ein riesiges Weihnachtsfest gefeiert mit Festmahl, weihnachtlicher Musik, einem prächtig geschmücktem Tannenbaum und vor allem den unvergleichlich duftenden und wohlschmeckenden Weihnachtskeksen meiner Mutter.

Schade, meine Eltern, mit denen wir gemeinsam in einem Haus wohnten, waren mit unserer Entscheidung auszuwandern so gar nicht einverstanden. "Wir werden uns nie wieder sehen", so klagten sie, "ihr seid doch alles was wir haben, wie könnt ihr uns das nur antun?"

Der Vorschlag regelmäßig über das Internet oder Bildtelefon Kontakt zu halten wurde von meinem Vater brüsk abgelehnt. "Wenn ich meine Kinder und Enkel nur noch im Fernsehen sehen kann, dann will ich lieber gleich ganz darauf verzichten."

Es war ein schwerer, sehr schwerer und kühler Abschied von meinen Eltern auf dem Flughafen in Echterdingen. "Stellt wenigstens ein Bild von uns auf, damit ihr uns nicht ganz vergesst", waren die letzten Worte meiner Mutter bevor wir durch die Sicherheitsschleuse gingen.

Oh, liebe Eltern, wie gern hätten wir euch mitgenommen, aber "alte Bäume verpflanzt man nicht!" war eure Antwort.

Doch genug, ich muss Gabi noch ein wenig helfen denn gleich müssten sich unsere lieben Verwandten via Internet melden und da sollte alles fertig sein, damit wir Zeit zum videophonieren haben.

Gerade will ich hinaus, da ertönt schon aus dem PC-Lautsprecher: "Hallo ihr Auswanderer, seid ihr da? Wir sehen nur euer Arbeitszimmer."

"Gaaaabi, Kiiinder….", brülle ich und renne zum PC, setze mich vor den Monitor und sehe sie, dicht gedrängt vor der Webcam - meine Schwester Doris mit Mann, meine Schwiegereltern und…, nein meine Eltern nicht.

Mein Vater dieser sture Hund hat es wahr gemacht und meldet sich nicht, nicht einmal an Weihnachten. Trauriger kann's nicht sein.

Gabi und die Kinder kommen, bloß nichts anmerken lassen.

"Hey, Old German Boys and Girls", grüße ich lächelnd in unsere Webcam. "Frohe Weihnachten aus dem Sonnenland Australien."

Eine lange Unterhaltung begann und es tat gut sie alle wieder zu sehen. Nur das meine Eltern nicht dabei waren das tat weh, sehr weh.

Einen dicken Kloß hatte ich im Hals und trat einen Schritt zurück aus dem Focus der Kamera, weil ich merkte das mir die Tränen aus den Augen rannen.

Zurück im Wohnzimmer setzte ich mich auf die Couch und vergrub mein Gesicht in den Händen.

"Ade ihr Lieben", höre ich noch, dann kommen Gabi und die Kinder zu mir. "Sei nicht traurig, sie werden sich noch per Telefon melden, ganz sicher!" Ich schau Gabi und die Kinder an und sehe, dass auch sie mit den Tränen zu kämpfen haben. Wir fallen uns alle in die Arme und heulen was das Zeug hält - doch gleich kommen die Nachbarn.

Aber, was ist das, auf einmal rieche ich die Kekse meiner Mutter, ja ich schmecke sie fast - bin jetzt wohl vollkommen verrückt geworden. Und dann sagt auch noch Katrin: "Das riecht wie Omas Kekse, gell Vati?" "Kollektive Halluzination", schlussfolgere ich.

Es klingelt, - oh Schreck die Nachbarn und ich habe die Steaks noch nicht gewürzt. Gabi stürzt in den Garten, die Kinder rennen zur Tür, ich versuche meine Augen zu trocknen und hoffe, dass sie nicht so furchtbar rot sind und erwarte die Gäste im Wohnzimmer.

Aber dann, - "OOOma, OOOpa", höre ich die Kinder staunend rufen. Mein Kiefer sinkt nach unten, die Augen werden Handtellergroß, - kann das wahr sein???

Im Rennen reiße ich den Stuhl am Eingang um, stolpere in den Flur und da stehen sie tatsächlich vor mir. Mutter, ein großes Tablett mit duftenden Keksen in den Händen und mein Vater die Koffer.

Die Freude war unbeschreiblich. Kein Geschenk der Welt hätte da mithalten können.

"Was … wie kommt ihr … und so plötzlich …", ich musste mich wohl ziemlich verwirrt anhören.

"Mach den Mund zu, lass uns rein und schließ die Tür! Wir haben es uns halt anders überlegt, Punkt, Komma, Schluss!"

Ja, das ist mein Vater. Ein Mann der nicht viele Worte macht und den sein Geschwätz von gestern nicht interessiert. Im Grunde genommen "Harte Schale, weicher Kern."

"Kinder, wir haben es ohne euch einfach nicht mehr ausgehalten und dann stand da noch Weihnachten vor der Tür …", meine Mutter, aufgelöst in Tränen, beide Enkel im Arm und sichtbar überglücklich, so wie wir alle.

So lange wie diesmal haben wir noch an keinem Weihnachtsabend zusammen gesessen. Gemeinsam mit allen Nachbarn feierten wir den wohl längsten heiligen Abend, den es für uns je gab.

Vier Wochen waren meine Eltern bei uns zu Gast und es war eine schöne Zeit. Viel zu schnell ging sie vorüber und er Abschied kam.

"Im nächsten Jahr seid ihr aber dran gell," sagte meine Mutter vor dem Abflug "sonst müssen wir für immer zu euch kommen!"

"Ach nee, ich denke alte Bäume verpflanzt man nicht!" scherze ich.

"Sehe ich vielleicht aus wie ein Baum??" grummelt mein Vater, nimmt mich dann fest, so fest wie noch nie in den Arm und flüstert mir zu: "Junge, mach schon mal Platz im Garten, - für zwei Weihnachtsbäume die ein neues Zuhause suchen."

Wir freuen uns alle unbändig, - nicht nur auf nächste Weihnacht - Marry Christmast

SPIEGEL ONLINE Bestsellerautorin Patricia Koelle

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