Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent
Unser Buchtipp

Weihnachtsgeschichten Band 2

Weihnachtsgeschichten
Band 2
Hrsg. Ronald Henss
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-939937-03-6

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Christkinder oder ein echtes Weihnachtsfest

© Tilman Rademacher

"Was für ein kalter Tag! Man möchte fast, man wäre heute Morgen daheim geblieben!" Edwin schüttelte sich. Er hauchte in die Höhle, die seine Hände bildeten -eine aus Eis hätte seinem Gefühl nach nicht kälter sein können- und genoss die kurze Erleichterung. Spöttisch blickte Anna zu ihm herüber: "Ich hab doch gesagt, dass du die Handschuhe einstecken sollst. Hoffentlich hast du wenigstens den Zucker nicht vergessen, sonst wird er uns wieder wegschicken!" Finster blickte der ältere Bruder ihr nach, wie sie in dem sicheren Wissen, dass er den Zucker natürlich nicht mitzunehmen versäumt hatte, vor ihm durch den knietiefen Schnee hüpfte. Langsam bekam Edwin Zweifel daran, ob es nicht unsinnig gewesen war, dem Ratschlag der Frau zu folgen und diesen Ausflug zu machen.

Gestern waren Anna und Edwin noch mit ihren Eltern in der Stadt gewesen, um die letzten Einkäufe für das Weihnachtsfest zu besorgen. Zum ersten Mal war Anna mit der Straßenbahn gefahren, hatte dies allen Leuten erzählt und sich erst wieder beruhigt, als Vater genervt aufbrauste. Danach waren sie noch in einem großen Kaufhaus gewesen. Eine halbe Stunde verbrachte Edwin in einem Geschäft, das kleine Plastikcowboys und -indianer verkaufte. Schon stellte er sich vor wie er mit dem Indianertrupp die Planwagen der Siedler angreifen würde, um sie gefangen zu nehmen. Er wurde aus seinen Tagträumereien gerissen, als er hörte wie sein Vater leise mit dem Verkäufer sprach. "Und was sollen diese Figuren kosten?" Der rundliche Verkäufer antwortete mit einer für seine Körpergröße viel zu hohen Fistelstimme: "Die sind erst letzten Monat in Amerika auf den Markt gekommen - die hat nicht einmal der Nikolaus…" Edwin war zutiefst erschrocken. Gab es das, dass der Nikolaus manche Dinge am Heiligen Abend nicht verschenken konnte, weil er sie noch gar nicht hatte? Verstört berichtete er seiner Schwester, was er gehört hatte und Anna fing an zu weinen, denn sie hatte sich eine sehr moderne Puppe gewünscht. Beide waren auf dem Rückweg sehr still gewesen, so dass die Eltern sich bereits gewundert hatten. Anna hatte gequengelt und Edwin hatte nachgedacht. Mutter sagte schließlich zu Vater, dass es für die beiden einfach viel zu anstrengend gewesen sei und sie sicher gut schlafen würden.

Umso mehr hatte es sie überrascht, als Anna in einer dunklen Nebenstraße vor einem hinter dem Schaufenster staubig wirkenden Laden anhielt und die Nase an die Scheibe drückte, um einen schmuddeligen Teddybären zu betrachten. "Anna-Schatz, komm jetzt, wir müssen weiter." Sagte Mutter und legte eine Hand auf Annas Schulter. "Mama, ich möchte gern den Teddy da haben" meinte sie und legte nun auch noch beide Hände neben ihrem Kopf an die Scheibe. "Aber meine Kleine, sieh doch, wie alt und schäbig er ist. Bestimmt fällt sein Fell schon aus. "Aber er guckt so traurig und ist bestimmt schon so lange allein!" -Mama gab nach, weil das Mädchen schon wieder zu weinen zu beginnen drohte. "Also gut, dann geh mit Edwin hinein. Fragt ob der Bär verkäuflich ist und haltet euch nicht zu lange auf. Wir werden uns das Schaufenster nebenan ansehen.

Den Kindern musste beim Betreten des Ladens ob der Tatsache, dass ihre Eltern sie so allein in dieses Haus schickten, sichtlich mulmig gewesen sein. Denn die alte Dame, die an einem Tisch hinter einigen geöffneten Kartons bei Kerzenlicht saß, lächelte ihnen aufmunternd zu. "Habt ihr beiden euch verlaufen? Sonst kommt niemand noch so spät in meinen Laden." Schüchtern fragte Anna nach dem Teddy, doch die Alte erklärte nur: "Es tut mir leid mein Kleines, aber ich kann ihn dir nicht verkaufen. Ich habe ihn, als ich in deinem Alter war, vom Nikolaus bekommen. Vom echten Nikolaus, nicht in einem dieser Kaufhäuser, in denen einer an jeder Ecke steht. Und jetzt hütet der Bär meinen Laden." Edwin hatte ihr mit immer größer werdenden Augen gelauscht, doch jetzt stellte er bloß bitter fest: "Ach was, den Nikolaus gibt es nicht! Nicht einmal die Indianer oder die Puppe wird er uns Heiligabend schenken. Er hat sie doch gar nicht bei sich oben." Erstaunt sah die Frau ihn an. "Natürlich gibt es den Nikolaus. Ich hatte mich damals, im Wald verirrt, als wir verstecken gespielt hatten. Alles war weiß verschneit, deshalb fand ich den Weg nicht zurück. Nachdem ich Stunden durch den Wald geirrt war, kam ich an eine Hütte. Auf mein Klopfen hin hat er dann geöffnet. Er war sehr freundlich, hat mir Kekse angeboten, den Teddy geschenkt und mir den Weg zurück gezeigt." Die beiden Kinder lauschten aufmerksam und als die Frau endete, wären sie auch bereit gewesen an Kobolde und Zwerge zu glauben. "Aber wo werden wir ihn finden?" schüchtern blickte Anna der Alten in diese weise wirkenden Augen. Noch immer musste Eduard über den danach gefolgten Satz nachdenken: "Es kommt gar nicht so sehr darauf an, wo seine Hütte steht, sondern wo ihr ihn in euren Herzen ganz nah bei euch wisst. Ihr müsst ihn fühlen. Vielleicht nehmt ihr auch etwas Zucker für seine Rentiere mit!"

Also hatten Anna und Edwin ihren Eltern heute Morgen gesagt, sie würden mit den anderen Kindern zum Rodeln gehen, waren aber mit ihren Schulkinderfahrausweisen in einen Bus gestiegen und eine halbe Stunde gefahren. Der Ort in dem sie ausstiegen, machte einen freundlichen Eindruck und grenzte direkt an einen Wald. Zur Verwunderung der Kinder lag hier - im Gegensatz zu ihrem Heimatort - überall weicher, unberührter Schnee. Anna war einfach losgerannt und die Kinder waren bereits tief in den weißen Wald, in dem Tannen in den unterschiedlichsten Größen die einzigen Farbabwechslungen boten, hineingeraten, als Edwin sie endlich einholte. Vergnügt lieferten die beiden sich eine tollkühne Schneeballschlacht, die sich bis Mittags hinzog. "Anna komm, wir müssen weiter gehen, wenn wir heute Abend wieder zu Hause sein wollen!" Anna sah ihren Bruder verstört an "Edwin, wie sollen wir denn zurückfinden?" Edwin musste ob ihrer Unbedachtheit lächeln: "Wir folgen einfach unseren Spuren zurück" erklärte er. Aber jetzt, da Anna tollend und hüpfend hinter einer kleineren Tanne verschwunden war, bemerkte Edwin, was ihn bereits die ganze Zeit gestört hatte: es schneite! "Anna komm schnell! Wir müssen umkehren, sonst werden unsere Spuren vom neuen Schnee verdeckt!" "Nein!" entgegnete Anna "wir wollen den Nikolaus finden. Du hast die Frau doch gehört, auch sie hatte sich verirrt. Vielleicht geht es nur so." Der Bruder bekam es mit der Angst zutun: "Jetzt komm endlich, sonst werden wir hier draußen erfrieren." Doch Anna war bereits weitergelaufen, konnte oder wollte ihn nicht hören. Als er ihr hinter den Baum folgte, glitt er aus und kullerte, wie er bald bemerkte, seiner Schwester folgend, einen Hang hinunter. Unten war es Nebelig und noch kälter als oben. Edwin wollte seiner Schwester gerade Vorwürfe machen, als er die Kufenspuren, die nur von einem sehr großen Schlitten stammen konnten, bemerkte. "Anna sie nur, meinst du, wir haben ihn gefunden?" In freudiger Erwartung und mit neu erwachter Kraft folgten die Geschwister nun der Spur. Nach einiger Zeit, in der sie auch ein paar sehr zutraulichen Rehen begegneten, erblickten sie auf einer Lichtung eine kleine Holzhütte, aus deren Schornstein Rauch aufstieg.

Der Mann der auf das Klopfen der Kinder öffnete, sah jedoch nicht wie der Nikolaus aus. Er hatte zwar weißes Haar, doch hing ihm sein Bart längst nicht bis auf die Brust und er trug auch keinen roten Mantel, sondern hatte Wollsocken, eine braune Hose und ein rot kariertes Hemd an. Mit vergnügt glänzenden Augen betrachtete der Mann die beiden. "Bist du der Nikolaus?" platzte es aus Edwin heraus und auch Anna wartete gespannt darauf, was der Mann sagen würde. Mit tiefer, volltönender Stimme erklärte der Mann: "Kommt herein, Kinder. Ja, ich bin der Nikolaus. Doch kann ich nicht mehr alle Kinder beschenken, denn nur wenn die Kinder auch an mich glauben, wirkt mein Geschenkstaub, der für die glückliche Weihnachtszeit sorgt. Wenn die Kinder nicht daran glauben, dann hat es keinen Zweck." In dem gemütlichen Innenraum standen rote Polstermöbel um einen Holztisch, auf dem Geschenkpapier gestapelt war, herum. Im Kamin prasselte ein Feuer und an der Garderobe hing auch der rote Mantel. "In den letzten Jahren, " fuhr der Nikolaus fort "war es sogar kaum möglich. Denn nur wenn sich ein Kind am Vortag des Heiligen Abend zu mir verirrt, gibt es ein Christkind." Dann strahlte er: "Und dieses Jahr sind es gleich zwei! So ein Glück! Ihr werdet dieses Jahr die Geschenke von meinem Schlitten aus in die Häuser bringen, wenn ihr wollt." Anna freute sich sichtlich, doch Edwin fragte: "Was ist mit Mutter und Vater? Sie werden sich bereits um uns sorgen!" "Sie wissen bereits bescheid, sagte der Nikolaus. Ich wusste seit heute Mittag, dass ihr kommen würdet. Die Frau die ihr nach dem Teddy fragtet, sie hat eure Eltern besucht. Sie war das letzte Christkind."

Am Abend dann, als der Nikolaus und die Kinder bereits umgezogen waren und die Tür öffneten, wurden sie einer Gruppe des zahmen Wildes gewahr, dass Anna und Edwin bereits auf dem Hinweg bemerkt hatten. Die Tiere standen in Zweierreihen vor einem großen Schlitten, so dass man sie nur noch ins Geschirr zu spannen zu brauchte. Als das geschehen war, stiegen die drei in den mit Geschenken beladenen Schlitten ein und näherten sich den Sternen mit hellen Glockenklängen.

So verlebten Edwin und Anna ihr schönstes Weihnachtsfest. Und selbstverständlich haben auch sie ihr Geheimnis für sich behalten, um sicherzustellen, dass die wahren Weihnachtsgeschenke auch nur von wahren Christkindern überbracht werden.


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