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Eingereicht am
12. April 2007

Die Sache mit Weihnachten

© Christiane Erdmann

Am späten Heiligen Abend klingelte es sehr stürmisch an unserer Haustür. Verwundert sahen wir uns an. Wer wollte uns denn heute Abend noch besuchen kommen? Mutti schickte mich an die Tür um nachzusehen. Ich öffnete und erstarrte im gleichen Moment. Da stand er: riesengroß, weißer Bart, rote Mütze, roter Mantel, Stiefel. Das konnte doch nicht sein; gab es ihn denn wirklich?

Aber ich will von Anfang an erzählen, was sich an diesem denkwürdigen Tag ereignet hat: Es war im Winter 1954. Ich war gerade 10 Jahre alt und mit allen Situationen des Lebens bestens vertraut. Was meine Eltern auch sagten, ich wusste es besser. Weihnachten stand vor der Tür. Und in diesem Jahr gab es für meine Freundinnen und mich ein ganz wichtiges Thema: Gibt es ihn, den Weihnachtsmann, oder gibt es ihn nicht? Wir haben es ausführlich besprochen, sozusagen von allen Seiten beleuchtet; - Natürlich gibt es ihn nicht!! Ganz klarer Fall, es gibt keinen Weihnachtsmann. Punkt und Ende der Diskussion. Unsere Eltern besorgten die Geschenke und legten sie unter den Weihnachtsbaum. Nur die ganz kleinen Kinder glaubten, dass der Weihnachtsmann diese Sachen erledigte. War auch in Ordnung so, sie wussten es nicht anders. Trotzdem freuten wir Großen uns auf den Heiligen Abend. Auf die schönen Geschenke, den geschmückten Weihnachtsbaum, auf Würstchen und Kartoffelsalat, die Mitternachtsmesse.

Und heute war es endlich so weit. Der Heilige Abend war da. Der Tag war mit lauter Geheimnissen ausgefüllt und natürlich viel zu lang. Die gute Stube war für uns Kinder geschlossen. Mein Bruder und ich hätten gern mal einen Blick riskiert um zu sehen, was hinter der Tür geschah. Aber sie blieb fest verschlossen. Doch auch dieser Tag ging langsam zu Ende. Wir alle hatten unsere schönsten Sonntagssachen angezogen und warteten gespannt auf das Klingeln des Weihnachtsglöckchen. Dann endlich erklang es ganz zart und wie von Zauberhand berührt öffnete sich die Tür zur Weihnachtsstube. Langsam gingen wir hinein. Die Kerzen am Weihnachtsbaum waren angezündet und erhellten den ganzen Raum, die bunten Teller standen prall gefüllt auf dem Tisch. Im Ofen bullerte das Feuer. Es war alles so wunderschön! Wir bekamen unsere Geschenke, sangen Weihnachtslieder, naschten von den bunten Tellern. Doch plötzlich klingelte es sehr stürmisch an der Haustür. Nanu, wer wollte uns denn heute, am Heiligen Abend, noch besuchen kommen? "Christiane", sagte Mutti, "geh doch mal bitte an die Tür". Ich sprang auf, lief los und öffnete die Tür. Und da stand er: riesengroß, weißer Bart, rote Mütze, roter Mantel, Stiefel - der Weihnachtsmann! Ich wurde kreidebleich, knallte die Tür zu, rannte in die Stube und verschwand unter dem Tisch. "Wer war denn an der Tür?", fragten alle. Ich gab keine Antwort, zitterte nur wie Espenlaub. "Hans-Jürgen, geh du doch mal nachsehen wer gekommen ist", sagten sie. Mein Bruder ging und ich hörte ihn sagen: "Komm doch herein, lieber Weihnachtsmann". Und die Schritte der Stiefel kamen näher und näher. Oh, hatte ich Angst! Was würde jetzt geschehen? Mit freundlicher Stimme bat der Weihnachtsmann Hans-Jürgen, ein Gedicht aufzusagen. Er machte das prima und durfte sich ein Päckchen aus dem großen Sack nehmen. Dann hörte ich wieder die freundliche Stimme: "Christiane, möchtest du auch ein Geschenk haben?" Oh Mann, oh Mann, der kannte sogar meinen Namen! Woher bloß? Panik überkam mich. Wenn er jetzt auch noch wusste, wie ich über ihn geredet hatte? Was sollte ich bloß machen? Mein Herz klopfte wie toll. Aber dennoch hätte ich doch auch so gerne ein Päckchen aus dem großen Sack gehabt! Eine verzwickte Situation. Und unter dem Tisch nickte ich mit dem Kopf. Aber ich traute mich nicht hervorzukommen. Mit einem Mal tauchte Hans-Jürgen unter dem Tisch auf. "Komm", sagte er, "ich halte auch deine Hand". Ganz langsam kam ich aus meinem Versteck hervor. Da stand er also - der Weihnachtsmann! Er lächelte mich ganz freundlich an und fragte, ob ich auch ein Gedicht aufsagen wollte. Ich nickte und rappelte es nur so herunter. (Für alle Fälle hatte ich doch auch eines auswendig gelernt.) Ich durfte mir auch ein Päckchen aus dem großen Sack nehmen. Der Weihnachtsmann wünschte uns fröhliche Weihnachten, verabschiedete sich und ging. Mir ging es nicht so besonders gut. Der Schreck saß mir mächtig in den Knochen. "Wollen wir denn jetzt Würstchen und Kartoffelsalat essen?", fragte Papa. Ich nickte nur. Meine ganze Welt war aus den Fugen geraten. Am nächsten Tag traf ich meine Freundinnen. Wir erzählten uns, wie der Heilige Abend verlaufen war. Was man an Geschenken bekommen hatte. Und so weiter. Ich versuchte durch geschicktes Nachfragen zu erkunden, ob sie den Weihnachtsmann gesehen hätten. Dabei grinste ich natürlich. Aber keine erzählte etwas vom Erscheinen des Weihnachtsmannes. Und ich hütete mich davor zu erzählen, dass es bei uns am Heiligen Abend so stürmisch an der Haustür geklingelt hatte.

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Ich habe schon einige Weihnachtsgeschichtensammlungen gelesen und kann mich nur an ein Buch erinnern, das ähnlich gut war!
Leserin BookCrossing

Was für ein schönes Buch! ... ich habe tatsächlich die eine oder andere Träne verdrückt. Es kommt so richtig schön weihnachtliche Stimmung auf. Und das Buch eignet sich wundervoll zum Verschenken.
Leserin BookCrossing

Ein wunderschönes Buch mit tollen Geschichen. Ich werds mir für nächstes Jahr als Geschenk für meine Kurzgeschichtenfans vormerken.
Leserin BookCrossing

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