Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent
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Glauben

© Nils-Marten Hitzfeld

Man sagt, dass es im Leben nur noch bergab geht, sobald der Glaube an den Weihnachtsmann verloren geht. Ich habe den Glauben an diese, in rot gehüllte Werbefigur am gestrigen Tage verloren.

Früh morgens am Heiligen Abend schien ein Spaziergang bestens als Ablenkung vom Fernsehprogramm geeignet. So verließ ich die einsame, jedoch festlich geschmückte Höhle, um ein wenig den Geruch von Weihnachten zu schnuppern. Es ist eine wundervolle Zeit. Der stürmische Regen peitschte in das Gesicht und hinterließ nichts als Nässe. Die Obdachlosen bekamen endlich wieder mehr zu essen, weil die Mülltonnen in so verschwenderisch anmutenden Tagen genug Nährstoffe für alle boten. Sogar die Menschen behandelten sich plötzlich menschlicher miteinander. Die Schimpfwörter fielen bei den beiden Streitenden um den Haufen elektrischen Schrott auf acht Rädern an der Kreuzigung nicht ganz so deftig wie gewohnt aus. Die eiskalte Sonne durchdrang mehrere Schichten von Smog und die grell blinkenden, bunten Lichter benetzten meine festlich eingestellten Sinne in einen träumerischen Rausch. Es war Weihnachten. Stille.

Die von fern an mein Ohr dringenden himmlischen Lieder ließen selbst diese dunkle Gasse einladend erscheinen. Ein schrägschwarzer Schlund, dessen charakterischen Gesichtszüge nicht auszumachen waren. Hätte dieser dunkle Ort wenigstens finster dreinblickende Augen gehabt, wäre mir bestimmt ein schneekalter Schauer über den nassen Rücken gelaufen. Damit siegte die Neugier über den Verstand. Was konnte einem an Weihnachten, dem Fest der Liebe schon passieren? So wagte ich festlich entschlossen den ersten Schritt in die geheimnisvoll fortgeschrittene Tiefe einer dunklen Gasse. Ein längsgezogener Schatten erfasste den Fuß und ließ ihn vollends in Schwärze versinken. Eine rundliche Ratte lief vorbei. Nach einem tiefen Amenzug bewegte sich mein Körper robotergesteuert weiter. Wie auf einem Fließband sitzend zog mich ein Sog lächelnd in den blindschwarzen Abgrund, der immer weniger bedrohlicher zu sein schien. Ein Geräusch! Das wird bestimmt der Weihnachtsmann sein, dachte ich voller Vorfreude auf das Kommende. Ein stechender Schmerz erfasste mich freundlich und ließ die Knie vor lauter Qualen niedersinken. Woher kam diese plötzliche leise Weihnachtsmusik? Eine Illusion? Ein Wunder? "Gib mir dein ganzes Geld und dir wird es heute besser ergehen. Versprochen!", vernahmen meine vor Glück tauben Ohren. Eine Straßenlaterne erhellte plötzlich und tauchte die ehemals dunkle Gasse in gleißendes Licht. Ich wagte kaum, dem unbekannten Angreifer in die Augen zu blinzeln. Ein Verbrecher in einem abgenutzten, mit Flecken versehenen Weihnachtsmannkostüm lächelte mich geringschätzig und vor Gier blitzenden, kaum sichtbaren Augen an. Es ist der Weihnachtsmann. Freudig erregt ließ ich mir das Geld abnehmen und spürte neben den aufmunterungsvollen brutalen Schlägen in mein Gesicht die dreckig grinsende Fratze des Gegenübers. Der Weihnachtsmann ist hier neben mir. Blutüberströmt riss meine schmerzende Hand in einem letzten Akt der Glückseligkeit reflexartig am kuschelig weichen, jedoch überraschend schnell nachgebenden falschen Bart. Und ich war schockiert. Der Weihnachtsmann war eine Frau.


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