Unser Buchtipp Weihnachtsgeschichten

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

Eingereicht am
26. Februar 2007

Wie Gunolf zu seinem neuen Namen kam

© Monika Schwarz

Es war einmal vor langer, langer Zeit, als die Winter noch wochenlang schneeweiß waren und so bitterkalt, dass es einem schon beim bloßen Gedanken daran auch heute noch friert. Zu der Zeit lebte ein Schreinergeselle Namens Gunolf. Er war gerade in den besten Jahren, in denen ein Mann nur sein kann, sozusagen "mittelalt". Er lebte ganz alleine mitten im tiefen Wald in einer Holzhütte. Seine Frau Leni war damals im Wochenbett noch ganz jung verstorben. Und weil er sie so sehr geliebt hatte, ist er auch seither für sich alleine geblieben und hatte nie mehr eine andere Frau auch nur angesehen. Der Gunolf war sehr einsam, aber das hätte er sich selbst auch nie zugegeben. Am Tage ging es ja gerade noch, da hatte er genug Arbeit, denn er machte im Auftrag für die Leute in der Stadt das Brennholz. Dafür waren aber dann die Abende doch extrem still und leise. War das früher mit Leni noch schön, sinnierte er jeden Abend so vor sich hin. Leni hatte immer von ganzem Herzen recht laut lachen können und stundenlang erzählen. Er wunderte sich jedes Mal, woher sie nur die Geschichten immer bekam, und keine glich der anderen. Jede war so spannend, dass man darüber ganz die Zeit vergaß. Zu der Zeit gab es nämlich noch keinen PC oder Fernseher, nein, nicht einmal ein Radio. Das wäre sowieso unmöglich gewesen, denn Strom gab es ja bei ihm auch noch nicht. Und den Weg zur Stadt machte er nicht so oft, denn das war zu Fuß viel zu weit, und ein Auto gab es ja auch noch nicht, er hatte noch nicht einmal ein Fahrrad besessen. Falls es das schon gegeben hätte, wäre es auf jeden Fall für ihn auch viel zu teuer gewesen.

So machte sich Gunolf nur einmal die Woche auf den Weg zur Stadt. Er belud abends zuvor den Ziehwagen mit dem bestellten Holz für die Stadtleute, damit er am andern Tag schon ganz früh losgehen konnte. Der Hin- und Rückweg dauerte immer einen ganzen Tag und war sehr mühsam und beschwerlich.

Als er nun abends den Ziehwagen fertig beladen hatte, ging er in seine Hütte um zu Essen, denn er hatte sehr großen Hunger. Da ja schon das Mittagessen wegen der vielen Arbeit ausgefallen war, freute er sich jetzt ganz besonders auf einen Teller heißen Eintopf, den er schon morgens früh auf die offene Feuerstelle hingehängt hatte. Und da es am anderen Morgen ganz früh rausging, ist Gunolf schon gleich nach dem Essen beizeiten zu Bett gegangen.

Es wurde gerade so langsam hell, als Gunolf aufwachte. Er wusch sich am Brunnen, machte sich einen heißen starken Kaffee, packte sich noch ein Vesperbrot, einen Apfel und eine Flasche Wasser für unterwegs ein und machte sich auch gleich mit seinem holzbeladenen Ziehwagen auf den weiten Weg in die Stadt. Heute hatte es ganz frisch geschneit und der Weg war besonders mühsam. So kam er nur ganz langsam mit dem Ziehwagen voran. Als er nun an einer Futterkrippe vorbei kam, legte er auch gleich noch für die Tiere etwas Heu auf, welches für schlechte Zeiten in einem Unterstand deponiert war. Gunolf traute seinen Augen nicht, denn da lag doch tatsächlich ein Geschenk in rotem Papier verpackt mit einer blauen Samtschleife daran. "Nanu", dachte er, "Wo kommt das denn her?" Und eine noch viel wichtigere Frage: "Für wen soll es denn sein?" Er nahm es in die Hand und starrte darauf. Auf dem Geschenk war eine Karte befestigt, auf der zu lesen war: "Für meinen Olli, das allerliebste Kind auf der ganzen Welt." Gunolf war doch sehr verwundert, denn hier im ganzen Wald war er der einzige lebende Mensch, weit und breit. Da fiel ihm aber ein, dass die Stadtleute schon öfters von einem Olli erzählten, der anscheinend immer so lieb und nett wäre und allen Leuten nur Gutes tut.

So lud er das Geschenk kurzerhand auf den Ziehwagen. Er unterhielt sich noch kurz mit den vier Rehen, zwei Häschen und der Eule, die er an der Krippe immer bewirtete, und ging dann wieder seines Weges. Doch schon ein paar Meter weiter lag das nächste Päckchen, diesmal jedoch war kein Name darauf geschrieben, aber es war sehr schön eingepackt. Auch dieses Päckchen wurde aufgeladen und so ging es wieder weiter. Ein Stückchen weiter lag auf dem Boden ein Brief, adressiert an einen Bewohner der Stadt. Gunolf legte alles auf seinen Ziehwagen und so kam er sehr beschwerlich der Stadt immer näher. Doch je näher er kam, um so mehr hatte er gefunden. Hier lag mal ein Apfel, dort ein großes Lebkuchenherz und da wieder ein schön eingepacktes Päckchen. Inzwischen hatte es auch aufgehört zu schneien, was ganz gut war, denn bis er die Päckchen gefunden hatte, waren sie fast schon zugeschneit. Das letzte Stück vor der Stadt lag jeden Meter etwas auf dem Weg. Gunolf hatte echt schon Schwierigkeiten, dies alles auf seinen Ziehwagen aufzuladen, denn der war ja schon vorher recht schwer mit Holz beladen und jetzt auch noch die vielen Geschenke, Schleckereien, Lebkuchen, Zuckerstangen und Weihnachtsgebäck. Und weil es auch wie gesagt, nicht mehr schneite, konnte Gunolf jetzt auch Fußspuren im Schnee erkennen. Es war die Spur von riesengroßen Stiefeln, mit Initialen SC in der Fußsohle. Doch mit dem Hinweis SC konnte der vereinsamte Gunolf nichts anfangen und lief der Spur im Schnee einfach hinterher. Sie führte ihn direkt in das allererste Haus vor der Stadt. Gunolf wunderte sich jetzt immer mehr. Es war wirklich seltsam, wenn er auch nicht oft in die Stadt ging, so jedoch regelmäßig einmal die Woche. Und an der Stelle, wo die Fußspur hinführte, direkt zur Haustüre des kleinen Häuschens - da stand ganz bestimmt noch nie ein Haus. Irgendwann hätte er es doch einmal bemerken müssen. Aber es stand da wirklich das Haus, und so ging er schnurstracks zur Türe und klopfte an. Er hörte eine ganz traurige, aber dennoch sehr kraftvolle Stimme "Herrrein" sagen und trat ein.

Ihr werdet es nicht glauben, was unser Gunolf da zu sehen bekam, denn er glaubte es ja selber nicht. Da saß doch tatsächlich ein riesengroßer Mann, der einen roten Mantel, Hose und Zipfelmütze trug, mit einem breiten weißen Saum daran. Das Gesicht sah man kaum, denn der Mann hatte wuschelige Haare, dichte Augenbrauen und einen riesigen mächtigen langen weißen Bart. Die Füße steckten noch in den übergroßen Stiefeln, die so groß waren, wie sie noch keiner gesehen hatte. Darunter bildete sich gerade eben eine riesengroße Pfütze. Und direkt neben dem kleinen See, der sich inzwischen gebildet hatte, lag ein riesengroßer leerer Sack aus Jute.

Gunolf grüßte und stellte sich vor.

Nun grüßte der Mann in der Hütte zurück und sagte: "Guten Tag Gunolf, ich weiß wer du bist."

Nun war Gunolf aber echt wirklich durcheinander und sagte: "Aber ich kenne dich nicht, wie kannst du mich denn kennen?"

"Na, weißt du denn nicht wer ich bin, schau mich doch mal an."

"Hmmm, ja jetzt kommt`s mir, du siehst aus wie der Weihnachtsmann - aber ich glaube einfach nicht mehr daran, seit meine Leni so früh von mir gegangen ist."

"Der bin ich aber wirklich", sagte der Weihnachtsmann. "Doch leider habe ich für die Kinder in diesem Jahr überhaupt gar keine Geschenke." Er zeigte seinen riesigen Sack mit dem großen Loch unten am Boden und erzählte Gunolf, dass er durch den Wald ging, wie er bei den Futterkrippen vorbei kam, um noch mal kurz nach den Tieren zu schauen. Wegen dem Loch im Sack bemerkte er auch nicht, dass er beim Laufen die ganzen Geschenke auf dem Weg hierher alle verloren hatte. Als er dann hier angekommen war und das Dilemma bemerkte, ging er ein Stück zurück, um die Sachen wieder aufzuheben, doch leider hatte es die ganze Zeit so stark geschneit, dass er gar kein einziges Geschenk mehr fand, außerdem war es ja noch früh am Morgen und fast noch ganz dunkel. Der Weihnachtsmann war so deprimiert und voller Trauer auf seinem Stuhl gesessen, dass es einem fast das Herz zerreißen konnte.

Als er nun seine traurige Geschichte beendet hatte, kam Gunolf endlich zu Wort. So erzählte er dem Weihnachtsmann von da an, als er gestern Abend das Holz auf den Ziehwagen lud und sich morgens gleich in der Frühe auf den Weg machte. Und wie er an der Krippe das erste Geschenk fand, auf seinen eh schon vollen Wagen lud. Und wie er auf dem ganzen Weg immer wieder alles aufgeladen hatte, bis er kurz vor dem Haus, das er noch nie gesehen hatte, eine Stiefelspur mit den Initialen "SC" fand. "SC", sagte er: "Jetzt weiß ich was SC heißt - es steht für Santa Claus".

Die beiden Männer lachten, wurden ganz dicke Freunde und erzählten sich noch lange ihre Geschichten. Und weil sie so lange erzählten, kam der Weihnachtsmann alsbald in große Zeitnot. Und weil Gunolf eh alleine lebte und zu Hause nicht vermisst wurde, versprach er dem Weihnachtsmann, dass er ihm helfen würde, sobald er das Holz ausgeliefert hatte. Das Holz wurde schnell ausgefahren und der Weihnachtsmann hatte seit diesem Tag einen tollen und sehr fleißigen Helfer und nannte ihn ab sofort Knecht Rupprecht. Denn welcher Helfer des Weihnachtsmannes hieß schon Gunolf. Das kann man nicht mal gut aussprechen, geschweige denn sich so einen Namen merken.

Seither sind die beiden Jahr für Jahr zusammen unterwegs, die Geschenke für die Kinder auszuteilen. Denn wie ihr euch vielleicht denken könnt, gibt es an diesem Tag immer sehr viel zu tun, es sind ja auch sehr viele brave Kinder. Und wie ihr ganz bestimmt alle wisst, nur brave Kinder bekommen vom Weihnachtsmann Geschenke, und für diejenigen, die nicht so brav waren, hat der Knecht Rupprecht was Passendes dabei. Ihr wisst doch auch ganz bestimmt von was hier die Rede ist. - Natürlich von der Rute. Aber eines ist gewiss, der Knecht Rupprecht hatte sie noch gar nie für böse Kinder gebraucht, weil ja alle Kinder immer so lieb und brav sind. Er hat die Rute halt nur so dabei, falls er sie dann aber doch einmal brauchen würde. Und so verteilen auch heute noch der Weihnachtsmann und Knecht Rupprecht gemeinsam die vielen Geschenke.

";