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Blutiger Weihnachtsgruß

© Britta Dubber


"Hast du das gehört, Ed? War das nicht ein Schuss?"
Ed grunzte leise und raschelte mit der Zeitung, um zu demonstrieren, dass ihn im Moment nichts außer den Sportergebnissen interessierte. Wenn einer seiner dämlichen Nachbarn sich in den Zeh geschossen hatte, dann würde er auch noch zehn Minuten warten können. Und wenn einer gar erschossen worden war, würde er noch länger warten können.
Die Market Street war einmal eine schöne Wohngegend gewesen. Hart arbeitende Leute hatten dort gewohnt, mit braven und gut erzogenen Kindern. Die Vorgärten waren auf altmodische Weise gepflegt worden, nämlich mit den eigenen Händen.
Heutzutage ließen die meisten Anwohner einen Gärtner kommen. Rausgeschmissenes Geld, denn die nervigen Gören zertrampelten das Gras und die Blumen, wenn sie nicht gerade irgendwo eine Fensterscheibe zu Bruch gehen ließen, mit ihren Bällen und Steinschleudern.
Die Hunde liefen frei herum, machten auf fremden Grundstücken ihr Geschäft und jagten den Briefträger. Nun, zumindest die Sache mit dem Briefträger hatte sich nicht verändert.
"Ed! Hörst du nicht?"
"Ich lese Zeitung!", schrie Ed ohne aufzublicken.
Das Klappern der Badelatschen auf dem Parkettboden verriet ihm, dass Elsa sich aus der Küche in Richtung Wohnzimmer bewegte. Warum sie selbst im Winter Badelatschen im Haus trug war ihm ein Rätsel. Sie behauptete in allen anderen Schuhen würden ihre Füße dick werden. Er bezweifelte das, denn ihre Füße waren sowieso dick.
"Ed! Sollen wir nicht lieber die Polizei rufen?" Elsa stand im Türrahmen und schob ihre Haube auf dem dicken Kopf zurecht, die sie immer beim Kochen trug, um zu verhindern, dass Haare ins Essen gelangten.
"Weil du glaubst einen Schuss gehört zu haben?" Immer noch starrte er in die Zeitung und stellte erschrocken fest, dass er eine Wette verloren hatte, die er mit seinem Kumpel Dick abgeschlossen hatte.
"Ich glaube nicht einen Schuss gehört zu haben, ich habe ihn gehört!"
Ed zeigte sich davon wenig beeindruckt, stattdessen überlegte er, wie er Dick demnächst aus dem Weg gehen konnte. Nicht weil er kein Geld hatte. Sie hatten sowieso nur um zehn Pfund gewettet, aber er konnte es nicht leiden, wie Dick sich damit brüstete, gewonnen zu haben.
Er lud den dann immer ganzen Pub ein, schmiss eine Runde nach der anderen und Ed konnte ihn dann irgendwie nach Hause bringen. Besonders in der Vorweihnachtszeit konnte Dick gar nicht genug vom Eierpunsch bekommen und nach einer Tasse fing er bereits an dämliche Weihnachtslieder zu singen.
"Ed, hast du denn nichts gehört?"
Nun blickte Ed auf, legte die Zeitung beiseite und starrte seine Frau mit einem spöttischen Grinsen an. "Was trägst du denn da?"
Elsa sah an sich herunter und begutachtete ihren grünen Rentierpullover. Ein Weihnachtgeschenk von Ed von vor zwei Jahren.
"Dein Geschenk!", zischte sie ihn an. Es war typisch für ihn, ihr lieblos irgendetwas zu kaufen und sich nachher darüber lustig zu machen. Dennoch war sie jedes Mal verletzt, auch wenn sie es gewohnt war und sich nichts anmerken ließ. Sie mochte den Pullover nicht einmal besonders, doch er vermittelte ihr ein Gefühl von Weihnachtstimmung. Denn in dem Haus in Weihnachtsstimmung zu kommen wurde jedes Jahr schwerer.
Ed hielt nichts von Weihnachten und schon gar nicht von dem ganzen Beschenken. Er erlaubte auch nicht, dass Elsa die Wohnung weihnachtlich dekorierte. Kitsch nannte er die Kerzen und kleinen Weihnachtsfigürchen. Kitsch, mit denen die Kaufhäuser ein Vermögen machten, weil es genug Bekloppte gab, die es kauften, um damit ihr Haus zu verunstalten.
Lediglich zu einem kleinen Weihnachtsbaum neben dem Kamin hatte sie ihn überreden können.
"Was machen wir denn nun wegen dem Schuss?", bohrte sie nach.
"Ich habe keinen Schuss gehört.", sagte Ed und griff wieder nach der Zeitung.
Elsa schnaubte, durchquerte das Wohnzimmer und griff nach dem Telefonhörer.
Kurze Zeit später wimmelte es vor dem gegenüberliegenden Haus von Polizisten.
Das Blaulicht erhellte die ganze Straße, so dass sich die alte Mrs. Patkin von nebenan gestört fühlte. Doch auf ihre Beschwerden hin, wurde sie nur höflich wieder ins Haus gebeten.
Elsa beobachtete alles vom Küchenfenster aus. Sogar Ed war dazu gekommen, angeblich unter dem Vorwand Hunger zu haben. Doch nun klebte er neben Elsa vor dem Fenster und beobachtete das Treiben auf der Straße mit einem Interesse, das er für gewöhnlich nur den Sportergebnissen zudachte.
"Geh doch mal raus Ed und frag was los ist?"
Doch Ed hatte keine Lust und so zog Elsa ihren Parka über und ging nach nebenan zu Rita Garisson, die zuvor mit einem Polizisten gesprochen hatte.
Rita war groß und hager, mit rot angemalten Wangen, Lippen und Lockenwicklern im dunklen Haar. Sie trug einen blauen Kimono mit aufgedruckten Tannenbäumen darauf, als sie Elsa die Tür öffnete.
"Furchtbar", sagte sie immer wieder auf den Weg in die Küche. "Einfach furchtbar!"
Sie wollte Tee machen, doch ihre Hände zitterten so sehr, dass Elsa ihr den Kessel abnahm und ihre Freundin auf einen Stuhl schubste.
"Was ist denn passiert, Rita?"
Rita fasste sich an die Lockenwickler, um zu prüfen, ob sie noch alle fest saßen.
"Ich habe einen Schuss gehört und raus geguckt. Kurze Zeit später kam dann ein Mann in einem Weihnachtsmannkostüm aus Mr. Masons Haus gestürmt. Da wusste ich, dass etwas Furchtbares passiert sein musste."
"Ist Mr. Mason?" Elsa stellte die Frage nicht zu Ende. Das Wasser begann zu kochen und sie nahm den Kessel vom Herd und holte zwei Teebeutel aus einer Schachtel im Schrank.
"Er war gar nicht zu Hause", sagte Rita und nahm dankbar eine Tasse dampfenden Darjeeling Tee entgegen. Elsa setzte sich zu ihr an den Küchentisch und blickte sie mit offenem Mund an.
"Mr. Mason war nicht zu Hause?"
Rita nickte. "Das stimmt. Als die Polizei das sagte, fiel mir auch wieder ein, dass er ja nach London fahren wollte um Geschenke zu kaufen. Seine Kinder verbringen diese Jahr das Fest bei ihm."
Elsa nahm einen Schluck Tee und verbrannte sich fast die Lippen.
"Stell dir das vor, er hat einfach den Weihnachtsbaum erschossen. Und dann hat er mit Blut, die Polizei vermutet es ist Schweineblut, Frohe Weihnachten an die Wand geschrieben."
"Das ist ja komplett verrückt!"
"Die Wucht der Kugel hat den Baum umstürzen lassen. All der Baumschmuck ist kaputt gegangen. Und die Kugel aus der Waffe ist in der Wand stecken geblieben. Was sollen denn bloß die Kinder denken? Kommen über Weihnachten zu ihrem Vater und dann so was."
Als Elsa und Ed abends vor dem Kamin saßen hatten sie den Blick auf den Weihnachtsbaum gerichtet. Er war nur etwa einen Meter hoch und mit winzigen goldenen Kugeln geschmückt.
Irgendwie wirkte er langweilig ohne Lichterkette und Lametta.
"Ob es seine Ex Frau war? Aus Wut darüber, dass die Kinder dieses Jahr bei ihm sind?", fragte Elsa
"Ich dachte Rita hätte einen Mann aus dem Haus laufen sehen", warf Ed ein und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche.
"Ach die kann doch auf die Entfernung nicht mal nen Rentier von nem Hund unterscheiden."
Ed grunzte.
"Was denkst du grad?"
"Dass ich oben noch mein altes Jagdgewehr habe", sagte er mit einem boshaften Grinsen, ohne den Blick vom Weihnachtsbaum abzuwenden.


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Eingereicht am 11. Dezember 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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