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Die Überraschungskugeln

© Patricia Koelle


Fietje Storrjohann stand da und kratzte sich am Kopf. Zweifelnd betrachtete er den Weihnachtsbaum, der so fremd in seiner niedrigen Stube stand, als wäre er wie ein nicht besonders willkommener Landstreicher nur eben kurz zum Aufwärmen hereingekommen. Draußen grölte ein Sturm und warf die dünne Schneedecke hin und her, als wälze sich darunter die Erde in einem sorgenvollen Schlaf.
Wie hergeblasen waren vor kurzem seine Großnichte Nadja und ihr merkwürdiger Freund unerwartet vorbeigeschneit. Sie hatten den Baum von ihrem Autodach gezerrt und ihn umständlich in der Ecke aufgestellt. Zu allem Überfluss hatten sie ihn noch mit einer grellen Lichterkette und unverschämt dicken, knallroten Kugeln geschmückt.
"Du musst es doch auch weihnachtlich haben, Onkel Fietje!" hatte Nadja gesagt, ihn heftig umarmt und ihm mitgeteilt, dass er im Sommer Urgroßonkel werde. "Und deswegen verreisen wir noch mal, ganz überraschend. Da können wir den Baum ja nicht gebrauchen", erklärte sie. Ehe er zu Wort kam, waren sie schon weg.
Fietje hatte seit einer Ewigkeit keinen Baum mehr in seiner Stube gehabt. Er machte sich einen Grog und versuchte, sich auf den Abendkrimi zu konzentrieren. Aber der Baum störte ihn. Es war, als stünde da jemand.
"Was mach ich nu mit dir?" Fietje schaltete zunächst die Lichterkette aus, doch das machte den Anblick trostlos, also montierte er sie ganz ab. Als er sie in einer Ecke in der Besenkammer verstecken wollte, fiel ihm ein Umschlag mit bunten, wertlosen Briefmarken in die Hand, die ihm aus unerfindlichen Gründen einmal jemand zum Julklapp geschenkt hatte. Er hatte nie Briefmarken gesammelt. Doch nun schüttete er den Umschlag auf den Tisch, feuchtete die Marken mit einem Schwamm an und klebte sie auf die dicken, einförmigen Kugeln. Nun gefielen sie ihm schon besser.
Kerzenhalter für den Baum fand er nicht mehr, also bastelte er welche aus Wäsche- und Büroklammern und befestigte fünf Bienenwachskerzen auf den Zweigen.
Jetzt ging es ihm besser, und er bekam noch mit, wer im Krimi der Mörder gewesen war.
Am nächsten Tag war Heiligabend. Fietje drehte die Weihnachtsmusik im Radio auf, aß Plätzchen, die ihm die Hanna von nebenan gebracht hatte, und sah auf das Leuchten der Kerzen. Was war in diesem Jahr eigentlich so gut gewesen, dass die Kerzen einen Grund hatten, dermaßen zu strahlen? In letzter Zeit machte sich in seinen Erinnerungen ein Nebel breit, dessen immer dichteres Grau alles verschluckte, was vor kurzem gewesen war. Er konnte sich an die Rosinen in seiner Schultüte von vor fünfundsechzig Jahren erinnern und an die braungebrannten Knie des Nachbarmädchens, mit dem er damals spielte, aber nie an das, was er am Tag zuvor gegessen hatte. Er vergaß, was der Wetterbericht behauptete, und dass er mit den Skatbrüdern verabredet war. Was für ein Sommer es gewesen war, nasskalt oder trocken, wusste er nicht mehr.
Von dem ganzen Jahr schien nichts übrig geblieben zu sein, außer dass er eine Zahnlücke mehr hatte. Es machte ihm Angst. Vorsichtig streckte er die Hand nach der Wärme der Kerze aus. Sie tat ihm wohl.
Später pustete er die Kerzen sorgfältig aus und ging früh ins Bett, denn am ersten Feiertag war er mit Arno und Piet zum Skat verabredet. Diesmal vergaß er es nicht, weil er einen großen Zettel an den Kühlschrank geklebt hatte.
Arno polterte herein, zeigte auf die Kugeln und lachte herzlich. "Klasse, wenn du die nicht mehr brauchst, kannstse auf die Post bringen."
Piet hatte weihnachtsgrünes Pistazieneiskrem mitgebracht. "War im Angebot" erklärte er.
Sie gaben ihm einen Nachmittag voller Gelächter. Fietje vergaß den lauernden Nebel. Wie er andere Dinge vergaß. Aber er erinnerte sich an seine Jahre auf dem Krabbenkutter, von denen Piet und Arno, die jünger waren als er, erzählten.
Später an der Haustür klopften ihm beide herzlich zum Abschied auf die Schulter. "Na denn, Storri, auf dass das neue Jahr ein Gutes wird!" Die Winternacht verschluckte ihre nicht mehr ganz sicheren Schritte, nur Fetzen eines Seemannsliedes trieben noch zu Fietje hin, der Mühe damit hatte, die verzogene Tür zu schließen.
Ein ganzes neues Jahr. Ob das nicht zuviel für ihn war?
Er schob die Zweifel beiseite und hoffte, dass der Nebel wenigstens auch sie verstecken würde.
An diesem Abend war er froh über die Gesellschaft des Weihnachtsbaums. Sie hatten sich aneinander gewöhnt.
Als er am nächsten Morgen die Küche aufräumte, fand er die Verpackungen des Eiskrems. Es war in lauter einzelnen Kugeln aus durchsichtigem Plastik gewesen, die an der Seite aufklappbar waren. Praktisch. Er spülte die Kugeln ab und hob sie auf, denn er war ein sparsamer Mann und sammelte fast alles, was irgendwie brauchbar erschien.
Silvester kam und Neujahr und die Rechnung über die Heizkosten, und Ende Januar erschreckten ihn schon die ersten Ostereier im Supermarkt. Fietje hatte den Weihnachtsbaum längst abgeschmückt und in eine Ecke des Gartens gestellt, aber er brachte es nicht fertig, ihn zu zerhacken und dem Holzstapel einzuverleiben.
Denn der Baum war immer noch grün. Sicher, er sah ein klein wenig müde aus, so wie Fietje sich fühlte, aber er hatte kaum eine Nadel verloren. Fietje hatte sich angewöhnt, ab und zu ein einseitiges Schwätzchen mit ihm zu halten. Er erzählte dem Baum dies und jenes, und am nächsten Tag wusste er nicht mehr, was es gewesen war. Das bekümmerte ihn.
"Gut, dass du mich nicht auslachen kannst", sagte er düster zu dem Baum und entdeckte plötzlich ganz unten in den dichten Zweigen eine vergessene rote Kugel. Als er sie in die Kammer räumte, fielen ihm die durchsichtigen Eiskugelpackungen in die Hand.
Fietje kam eine Idee.

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Die vollständige Geschichte erscheint im Herbst 2007 in dem Buch

Patricia Koelle
Der Weihnachtswind
Weihnachtsgeschichten
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-939937-01-2



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