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Voilà, le salon!

© Stephanie J. Schultz

Finisterre. Unser Urlaubsort. Das heißt auf Deutsch so viel wie Ende der Welt und liegt am äußersten Zipfel der Bretagne. Ende der Welt passt - unsere Ehe befindet sich ebenfalls gerade so ziemlich am Ende.

Mit einer gewissen Weltuntergangsstimmung nähern wir uns, im Fonds die von der allgemeinen Atmosphäre nicht ganz unbeeinflusst gebliebenen Sprösslinge Hannes und Henrike, nach stundenlanger Fahrerei dem Ziel des Reisekatalogs.

Schenkt man dem französischen Ferienhausvermieter Glauben - und das haben wir getan -, so ist Finisterre ein romantischer Fischerhafen an der bretonischen Küste. Mit bunten kleinen Holzbooten und herrlichen Klippen. Ein anheimelnder, gemütlicher Ort mit weiß getünchten Häusern.

Dieses Bild als Trost in der ansonsten doch äußerst angespannten Stimmung vor Augen, gelangen wir zum offensichtlichen Ortseingang. Wir fühlen uns schlagartig in den Film "Spiel mir das Lied vom Tod" versetzt. Vor uns ein ausgestorbener, kahler, baumfreier, grauer Platz. Die Mittagssonne brennt erbarmungslos herab. Das Herzstück des Ortes wird umrahmt von ebenso grauen Häusern. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. In unserer Not halten wir sogar, wenn auch vergebens, nach einem am Laternenpfahl angebundenem Pferd Ausschau. Doch nur eine einsame Möwe segelt über die trostlose Szenerie dahin, fort zum Meer.

Wir tun es ihr gleich und begeben uns ebenfalls, mit einer gewissen Hoffnung, in Richtung Meer. Welch Glück - die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Das Meer ist nur zu ahnen. Das gesamte Panorama wird von den verrosteten Metallgebilden eines ehemaligen Industriehafens verdeckt. Ähnlichkeiten mit apokalyptischen Szenarien drängen sich auf. Anstelle fröhlich bunter Fischerboote finden wir nur verwitterte Reste. Die würden jeden Archäologen in Verzückung versetzen.

Die Stimmung nähert sich bedrohlich dem Nullpunkt. Außer der Schuld am Scheitern unserer Ehe geben wir uns jetzt auch gegenseitig die Schuld bei der Auswahl dieses menschenfeindlichen Fleckens Erde. Was? Ich habe das alleine ausgesucht? Spinnst Du? Duuu bist doch ins Reisebüro gelatscht und hast den Scheiß hier gebucht! Aber klar! Ist ja nichts Neues, ich habe ja sowieso immer Schuld! Desillusioniert machen wir uns zurück auf den Weg zum Ferienhaus.

Schlammgrau wie alle anderen Häuser. Die Fensterrahmen kackbraun. Aber gut, wir wollen ja nicht im Vordergarten wohnen, werden die anregende Fassade also selten sehen.

Voller Stolz öffnet die Vermieterin die Tür. Der Muff von hundert Jahren schlägt uns wellenartig entgegen. Raubt uns für einen Moment die Besinnung. Aber was erwarten wir. Wir sind die ersten Gäste der Saison- es ist schließlich auch erst Ende August. Angesichts der Enge innerhalb der gräulichen Mauern quälen wir uns im Gänsemarsch hinter Mme. Babelle durch die Räume. Einer gruftiger als der andere. Haben den Charme von Bahnhofclos. Den Duft ebenfalls. Die Betten beherbergen derzeit Großfamilien von Motten. In den Zimmerecken fühlen sich zahlreiche gut genährte Riesenspinnen durch unser plötzliches Erscheinen zutiefst in ihrer Ruhe gestört. Die Toilette befindet sich unter einer gefährlich knarrenden morschen Holztreppe. Gefühlte Raumhöhe: ein Meter fünfzig. Die Tür lässt sich nicht schließen.

Als letzten Raum präsentiert uns Mme. Babelle das Wohnzimmer. Ein mit dunklen schweren Ledersesseln möbliertes Kabuff. Mit stolzer Brust schmettert sie uns entgegen: "Voilà, le salon!"

In Sekundenschnelle konstatieren wir, dass Mme. Babelle ganz offensichtlich eine durchaus positive Verbindung zu ihrem Haus hat. Irgendwie können wir die nicht teilen.

Henrike verlässt auf der Stelle das Haus. Weigert sich standhaft, es jemals in ihrem Leben wieder zu betreten. Eher schläft sie zwei Wochen im Auto auf der Rückbank.

So haben wir uns das Ende der Welt nicht vorgestellt. Aber wer weiß schon vorher, wie das Ende aussieht. Es ist nicht wirklich schön. Genauso wenig wie das Ende unsrer Ehe.

Schön ist nur das Ende der Rückfahrt. Zumindest darin sind wir uns alle einig.

Eingereicht am
12. Juli 2007

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