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Unser Buchtipp

Mauerstücke - Erinnerungsgeschichten

Mauerstücke
Erinnerungsgeschichten
Hrsg. Bettina Buske und Patricia Koelle
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-939937-08-1

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

Die Geschichte der Berliner Mauer

© Thierry Noir

In den frühen Morgenstunden des 13. August 1961 wurde mit der Errichtung der Berliner Mauer begonnen. Da es nicht möglich war, die 160 km lange Mauer an einem Tag zu erbauen, wurde West-Berlin von DDR-Soldaten zunächst mit Hindernissen, wie Betonpfählen und Stacheldraht, abgeriegelt. Während des Sommers 1961 wurden die vorübergehend aufgestellten Zäune durch eine Mauer aus Leichtbeton ersetzt. Die erste Phase des Mauerbaus war abgeschlossen.

Nach fünf Jahren umschloss die Mauer West-Berlin. Bis zu Beginn der 80er Jahre entwickelte sich die Berliner Mauer zu einem "perfekten Hindernis", das die nächsten 100 Jahre Stand halten sollte. Ein System, das vorgefertigte Betonteile wie vergrößerte Legosteine aneinanderreihte. Man hatte eine der längsten Mauern der Welt erbaut.

Bis zum Ende der 70er Jahre hielten die provisorischen Steinblöcke die Künstler ab, die Mauerteile zu bemalen. Die wenigen Graffitis waren unlesbare Wörter in weißen Lettern auf der Betonwand. Zu Beginn der 80er Jahre schrieben Menschen ihre Namen auf die Mauer, dann Wörter oder Sprüche, die meist politisch gefärbt waren, erst dann kamen Malereien hinzu. An historischen Orten wie dem Potsdamer Platz, am Grenzübergang Checkpoint Charlie, am Brandenburger Tor und in Kreuzberg wurden die Graffitis der Mauer zur touristischen Attraktion. Das war neu, da zuvor niemand die Mauer auf Postkarten oder Souvenirartikeln präsentiert sehen wollte.

Im April 1984 bemalten Thierry Noir und Christophe Bouchet ein Stück der drei Meter hohen Mauer so schnell sie konnten mit leuchtenden Farben.

Noir und Bouchet, beide aus Frankreich stammend, lebten schon seit zwei Jahren direkt an der Berliner Mauer. Die Rückwand ihres Wohnhauses am Mariannenplatz war in die Grenzmauer integriert. Ihr Haus war das erste, das am 4. Dezember 1971 besetzt wurde. Es wurde "Georg von Rauch Haus" genannt, dem Demonstranten gewidmet, der am gleichen Tag von der Polizei getötet wurde. Nach harten Kämpfen erkannte der Berliner Senat im Juni 1978 dieses Haus endlich, und gerichtlich, an, um daraus ein Jugendzentrum zu schaffen, wo es möglich ist zu wohnen, zu arbeiten, Musik zu machen und auch zu malen. Noir und Bouchet fühlten die Notwendigkeit, etwas gegen die langweilige Fassade zu tun, eine Reaktion gegen den Druck der täglichen Nähe zur Mauer.

Die Mauer wurde drei Meter entfernt von der offiziellen Grenze erbaut, so dass die ostdeutschen Soldaten keiner Person Zutritt in die Nähe der Mauer erlaubten. Die Mauer zu bemalen war strengstens verboten, so dass die Maler schnell malen mussten und immer mit einem Auge auf die Soldaten. An abgeschiedenen Plätzen oder in der Nähe der kleinen Betontüren, die in die Betonelemente integriert waren, war es wichtig nicht allein zu malen, hier war es am gefährlichsten. Die bemalten Flächen von Noir und Bouchet warfen sofort viele Fragen auf. Sie bemerkten, dass sie etwas Besonderes gestartet hatten; und als sie aufhörten die Wände zu bemalen, wurden immer mehr Fragen gestellt: "Warum habt ihr aufgehört, die Berliner Mauer zu bemalen?" oder "Warum wollt ihr die Mauer verschönern? Was war der Grund der Bemalung?"

Die Antwort lautete jedes Mal: "Wir wollten die Mauer nicht verschönern, weil es absolut nicht möglich war. Achtzig Personen sind bei Fluchtversuchen über die Mauer getötet worden, so kann man die Mauer mit Kilos von Farbe bedecken, sie wird immer dieselbe bleiben. Ein blutiges Monster, ein altes Krokodil, das von Zeit zu Zeit erwacht, jemanden schnappt, um dann wieder in einen tiefen Schlaf zu fallen."

Die Malereien auf der Berliner Mauer hatten einen außergewöhnlichen Touch. Es waren stets besondere Gefühle in der Luft, was jede Wandmalerei zu einem politischen Akt machte. Noir und Bouchet trafen mit anderen Künstlern und Freunden, wie zum Beispiel Kiddy Citny, an der Mauer zusammen. Sie waren glücklich, sich erzählen zu können was sie malen, welche Farben sie benutzen wollten. Die Idee, die Mauer zu bemalen, lag in der Luft, aber keiner hatte konkrete Vorstellungen.

Schnell erreichten die Mauergemälde eine Länge von Kilometern. Am Mariannenplatz, Potsdamer Platz, am Grenzübergang Checkpoint Charlie und an der Waldemarstraße wurden die Malereien ein wichtiges Wahrzeichen, Berlins Charme und Charakter. Die Berliner Stadthalle nutzte die Mauerbilder, um in Informationsbroschüren Werbung für Berlin zu machen.

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Mauerstücke
Mauerstücke
Erinnerungsgeschichten
Hrsg. Bettina Buske und Patricia Koelle
Dr. Ronald Henss Verlag
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