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Schatzi-Mausi & Ich: Reden bringt Segen

© Markus Kügle

"Schnucki, wir müssen mal reden!", richtete mein Schatzi-Mausi das Wort an mich. Einer spontanten Eingebung zufolge warf ich mich daraufhin zu Boden und simulierte verzweifelt einen Herzinfarkt. Denn: Wenn (m)eine Frau sagt: "Wir müssen mal reden!", konnte das für ihren Lebensgefährten garantiert nichts Gutes bedeuten. Leider waren meine Mühen umsonst und meine Anstrengungen erfolglos. Schatzi-Mausi lief nicht kreischend los, um den Notarzt zu rufen. Noch nicht mal Erste Hilfe zog sie in Erwägung! (Ein klein wenig Mund-zu-Mund-Beatmung und so...) Dafür hatte ich wohl in der letzten Zeit diesen Trick ein klein wenig zu oft ge(miss)braucht. Er verlor allmählich seine Glaubwürdigkeit. Ich musste mir dringendst was Neues einfallen lassen.

"Schnucki!", richtete mein Schatzi-Mausi abermals das Wort an mirmich. "Wir müssen wirklich mal miteinander reden!" Um ihre Forderung zu unterstreichen, griff sie nach der Fernbedienung und machte den Fernseher leiser. Ich stand auf und klopfte mir den Dreck von der Hose. Es sollte hier mal wieder sauber gemacht werden ... Als ich damit fertig war, nahm ich wieder neben ihr Platz.

"Worum geht's?"

"Um uns!" Sie nahm meine Hand und drückte sie. Ganz zart. "Wir reden kaum noch miteinander!" Ich wandte meinen Blick von ihr ab und dachte darüber nach. Schatzi-Mausi sah mich währenddessen mit großen Augen an, in denen der Kummer der ganzen Welt lag. Für mich wirkte es zumindest so, oder ähnlich. Schließlich kam ich zu dem Schluß, dass ich das, was sie da gesagt hatte, nicht vorbehaltlos unterschreiben konnte. Wir reden doch miteinander! Neulich, zum Beispiel:

Da hab ich sie gefragt, ob ich mir einen neuen Fernseher kaufen darf. Sie hat gesagt "Nein!" und ich hab gesagt "Och, Schatzi-Mausi! Bittebitte." Dann hat sie wieder "NE!N" gesagt und ich hab mir, bzw. uns den flachsten, breitesten Fernseher gekauft, der im Handel zu finden war. Danach haben wir beide darüber geredet, wie egoistisch ich doch bin. Und wie verschwenderisch ... In allen Punkten hat sie von mir Recht bekommen. Und ich dann meine Ruhe. --> Für mich war das perfekte Kommunikation. Aber für Schatzi-Mausi nicht. Sie hatte in dieser Hinsicht höhere Ansprüche. Also? Was tun?? Man(n) sagt Dinge, wie: "Ja, Schatzi-Mausi. Ich kann dich verstehen." Und außerdem noch: "Da hast du aber so was von recht!" Denn: Wenn man den Vesuv am Ausbruch hindern kann, dann sollte man das meiner Meinung nach auch tun. (Schatzi-Mausi kann ab und zu sehr impulsiv sein! Darum ist hier Vorsicht geboten!!) Unglücklicherweise reichte ihr das alleine nicht. NE!N Sie wollte unbedingt den Grund für die Tatsache ergründen, warum wir denn nicht mehr miteinander redeten. Mit anderen Worten. Sie wollte übers Reden reden. Genauer gesagt: Darüber reden, warum wir nicht mehr miteinander reden. Aber wenn wir darüber reden, dann reden wir ja miteinander! Und dann ist das Problem ja gelöst. Also: Worüber müssen wir dann reden??? Das war meiner Meinung nach absolut B. Knackt. Diesbezüglich hatte ICH doch RECHT, oder?

Aber so ist das nun mal im Leben: Wenn eine Person Recht hat, heißt das noch lange nicht, dass sie das auch kriegt. Und gut gemeint ist nicht (immer) gut gemacht. Ich hätte es ihr gern gesagt. Sehr gern sogar. Aber sie hätte es nicht verstanden. Und so blieb mir nichts anderes übrig, als das Unmögliche möglich zu machen. Reden wir über das Reden. Denn: Was tut man(n) nicht alles für sein Schatzi-Mausi? Letztendlich alles! Damit sie zufrieden ist und man(n) selbst seine Ruhe hat. Oder? Versteht mich nicht falsch. Ich liebe meine Freundin. Mehr, als jede andere. Sie ist für mich das wichtigste, was ich habe. (Abgesehen von meiner DVD-Sammlung vielleicht ...) Aber manchmal kann es schon schwer mit ihr sein. Sehr schwer sogar.

Und so blieb mir nichts anderes übrig, als: "Wir können doch über alles reden!" zu sagen. Das war natürlich eine Lüge. Eine sehr infame Lüge sogar. Billig. Niveaulos. Denn: Wer kann schon mit seiner Lebensgefährtin über ALLES reden? Welcher Kerl auf der Welt das wirklich glaubt, der sollte mal anfangen, mit seiner Holden über ausgefallene Sexpraktiken zu reden. Haha! (Analsex zum Beispiel, oder Partnertausch, oder diverse SM-Praktiken, oder ...) Er wird unangenehm überrascht sein. Und obwohl Schatzi-Mausi in ihrem tiefstem Inneren ganz genau wusste, wie unglaublich dreist ich sie um die Wahrheit betrogen hatte, lächelte sie mit einem Mal und es schien so, als ob sie unglaublich glücklich wäre. Eine so überwältigende Reaktion hatte ich nicht erwartet. Eine riesige, tosende Welle von Freude und Herzlichkeit schwappte von ihr auf mich rüber. Eigentlich ein gutes Gefühl. Aber, aus Erfahrung wusste ich: Da war Vorsicht geboten und Skepsis angebracht. Und zu meinem unfassbaren Leidwesen sollte ich Recht behalten. Denn: Ein dicker Hammer folgte sofort.

"Dann lass' uns doch jetzt über was reden!", schlug sie mir freudenfroh vor.

"Was?" Der Schweiß brach mir aus allen Poren. "Jetzt gleich?" Mein Pulsschlag beschleunigte sich. Und mein Hirn wollte wissen: "Warum eigentlich immer ich?" Aber das ist so eine Frage, die wohl niemals beantwortet werden kann. Die steht in einer Reihe mit "Was ist jetzt gleich nochmal der Sinn des Lebens?", "Gibt es überhaupt einen Gott?" und: "Warum hat Schatzi-Mausi eigentlich immer dann garantiert keine Lust auf 6, wenn ich so spitz wie Nachbars Lumpi bin?".

Ich seufzte. Tief und kummervoll. Und stellte mich danach tapfer meinem Schicksal. Obwohl ich mich seelisch und moralisch an einem absoluten Tiefpunkt befand. Es war wieder mal einer von diesen Momenten, in denen ich ernsthaft darüber nachdachte, ob Selbstmord eine Lösung sein könnte. Aber was diese Sache anging, war ich bisher noch nie zu einer Entscheidung gekommen. Bei näherer Betrachtung gab es genau so viele Dinge, die dafür sprachen, wie dagegen. Und selbst wenn es eine Lösung für mich sein könnte, hieß das noch lange nicht, dass es auch die beste war. Aber auch das würde wieder endlosen Redestoff bieten - Tiefstwahrscheinlich für ewig und drei Tage.

"Es gibt da so viel, worüber ich schon immer mal mit dir reden wollte ..."

Erwartungsfroh lauschte Schatzi-Mausi dem, was gleich von mir kommen sollte und von dem ich selbst noch nicht mal so genau wusste, was es denn sein sollte. Nach einer halben Ewigkeit des fieberhaften Nachdenkens dann schlichtweg keinen Bock mehr. Aus diesem Grund entschloss ich mich zu folgender Aussage: "Warum hast du eigentlich immer dann keine Lust auf 6, wenn ich so spitz bin, wie Nachbars Lumpi?"

Das Gesicht fiel ihr zusammen. Die Mundwinkel gingen ihr erdwärts. Sie wurde rot. Danach redete sie nichts mehr. Um die unangenehme Stille, diesen peinlichen Moment des Schweigens zu übertönen, griff ich nach der Fernbedienung und machte den Fernseher wieder lauter. Schatzi-Mausi verließ das Wohnzimmer und schwieg mich vom Schlafzimmer aus an. Wir können ja über alles reden, nicht wahr?

Nach einer halben Stunde des Schmollens kam sie dann wieder, setzte sich wortlos neben mich. Ich legte den Arm um mein Schatzi-Mausi. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter. Und da war er wieder: So ein Moment, in dem ich mein Schatzi-Mausi über alles auf der Welt liebte. Ganz einfach nur, weil sie so ist, wie sie eben ist ...



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