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Hochspannung

© Gary Grisham


Mit weit von sich ausgestreckten Händen, der Flächen wie bei einem Gekreuzigten starr nach außen zeigten, stand sie dort und lauschte dem leisen Säuseln des Windes. Es tat gut, wie er ihren Körper kühlte und so im hohen Gras mit ihren Haaren spielte. Die Haare hatte sie von ihrem - Vater, der dass Licht ausgemacht hatte, was sie nachts immer anließ um ruhig schlafen zu können. Sie hasste das Dunkel. Und manchmal hassten sie auch ihren Vater, für dass, was er da mit ihr machte.
Er stieg neben ihr Bett und lauschte kurz dem Atmen seiner Tochter, die ihre Hände nun gesenkt hatte und hochspähte in die Bäume. Dort erblickte sie ein paar Tauben, die monotone Rufe in diesen angebrochenen Frühlingstag schickten. Ermüdende Rufe. "Müde vom Leben", dachte Isolde.
Sie wusste, umso länger sie warten würde, desto weniger würde sie Kraft haben für ihren Plan von- Zuhause zu fliehen. Am Ende setzte sie ihn in die Tat um und entkam. Drei lange Wochen lebte sie auf den Straßen der Stadt, wo sie die Menschen um Geld anbettelte, bis die Polizei sie fand. Als sie wissen wollten, weshalb sie weggelaufen war, hatte sie ihnen von den Sachen erzählt, die ihr Vater machte. Ihr Vater habe jedoch immer gesagt: "Das ist völlig normal mein Schatz." Und so war die-
Polizei nicht eingeschaltet. Wenn David, so hieß ihr Freund, mitbekommen hätte, dass sie weg ist, so wäre er bestimmt zuerst zu ihnen gegangen.
Ein Schmetterling flog dicht vor ihren (so müden) Augen vorbei und umkreiste sie scheinbar. Dabei musste sie so heftig lachen, dass sie beinahe aus ihrem Gleichgewicht kam, denn sie stand immer noch mit einladender Geste da. Der Geruch von Benzin überrumpelte leider alle anderen Eindrücke, die sie- damals von der Highschool hatte. Der erste war, dass man die Leute, die nicht gemocht wurden, schnell durch den Fleischwolf drehte und sie zu Niemanden abstempelte. Isi (so wurde sie von ihrer neuen Schwester genannt, seit sie in ihre neue Familie gezogen war) war zu so einem Niemand geworden. Später wollte sie einmal Tänzerin werden- Ein Wunsch, der sie den anderen gegenüber-
"Seltsam," war ihr erster Gedanke: "Ich dachte Leute, die mit dem Leben abschließen würden ihr Ziel klar vor Augen haben, aber ich kann mich kaum auf das Konzentrieren, wozu ich hier bin!!!"
Wütend schlug sie sich mit den Händen auf den Kopf und wickelte das Seil um ihre rechte Hand straffer. Es hinterließ rote Striemen, aber das war ihr egal. Jetzt wurde sie langsam- nervös. Sie zog noch einmal an ihrer Zigarette. Wie lange rauchte sie nun bereits? Dreizehn Jahre mindestens. War von einem Seelenklempner zum anderen gezogen. Zum Schluss war sie jetzt in dieser kleinen schlecht ausgestatteten Psychiatrie angelangt: Grund: Selbstmordgedanken. Und nun stand sie hier auf dem Hof, mit einem dieser Betreuer und rauchte ihre Notzigarette... lächerliche, nur- ein Gedanke kam ihr, bevor sie das Seil hochwerfen wollte. Der Gedanke, als wäre David jetzt gerade bei ihr. Er war immer bei ihr gewesen, nach ihren Selbstmordversuch mit den Tabletten... Zheno...Zheno... wie auch immer sie hießen. Er war da für sie, doch nun wollte sie nicht mehr- konnte nicht länger.
Sie warf das Seil hoch auf die Kabel der Hochspannungsleitung und spürte, wie die hundertundzehn Kilovolt Strom ihren Körper durchbohrten. Sie wusste, dass nicht nur die Voltzahl wichtig war, darüber hatte sie sich ausgiebig in Selbstmordforen informiert, sondern auch die Stromstärke selbst- Das Ampere!
Gleichzeitig entzündete sich das Benzin, mit dem sie sich übergossen hatte. Sie war schon längst Tod, als es sich entflammte und ihren Körper verkohlte, bis zur Unkenntlichkeit.
Dies alles passierte innerhalb von Sekundenbruchteilen vor ihrem inneren Auge. Das Gehirn muss erst immer seine Botenstoffe übertragen, bevor der Körper handeln kann. Und so umschlang sie ihre Rettung. Genauer gesagt, die Hände von David, der ihr den ganzen Weg gefolgt war und nun seine Lippen auf ihren Kopf drückte.
"Siehst du den Schmetterling, Dave?"



Eingereicht am 17. April 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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