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Charles Arrows - Stückmeister des Königs

© Gregor Eder


Die Wellen schlugen klatschend gegen den Bug der VENTURA, während das Schiff des Königs dem heimatlichen England entgegen strebte.
Da die Nacht langsam hereinbricht verlasse ich meinen Posten auf dem Vorschiff und wandere nach achtern. In meiner Kammer bereite ich mich dann auf das Essen mit dem Kapitän vor, zu dem ich geladen worden bin. Mit ziemlicher Sicherheit werde ich dort auch den weiblichen Passagier kennen lernen, der uns auf unserer Heimreise begleitet. Gesehen habe ich die Dame nur einmal, als sie an Bord gekommen ist und auch da nur flüchtig. Denn seit ich zum Leutnant befördert wurde, um unseren gefallenen Stückmeister zu ersetzen, hat mich die Arbeit beschäftigt gehalten. Da kann selbst ein hübsches Frauenzimmer und das ist sie wohl, so wie sich die Fähnriche das Genick nach ihre verdreht haben, einen nicht wirklich vom geistigen Hantieren mit Pulver und Kugeln abhalten.
Nachdem ich nun meinen feinsten Uniformrock angelegt habe, durchquere ich die Offiziersmesse und steige hinauf zum Achterdeck. Dabei nickte ich dem Wachoffizier kurz zu, der mich allerdings nur eines schnellen Blickes würdigt, bevor er sich wieder den Toppgasten zuwendet und ihnen Befehle zuruft. Dann passiere ich den Seesoldaten vor der Türe und trete in den Speiseraum des Kapitäns. Dort steht der alte Griesgram und lächelt pflichtschuldig und neben ihm steht Mrs. Guttaring. Sie bildet einen hübschen Farbfleck mit ihrem Kleid, zwischen all den blauen und roten Uniformröcken. Ich erwiderte nun ihr freundliches Lächeln, als ich zu ihr trete, verbeuge mich und greife dann nach ihrer Hand um mich vorzustellen.
Sie erwidert meine Begrüßung und wie es sich geziemt mache ich dann rasch Platz für den nächsten. Nachdem dann auch unser Master und Hauptmann Moore von den Seesoldaten brav Pfötchen gegeben haben, begeben wir uns alle an den Tisch. Zwar ist die VENTURA nicht voll bemannt, doch bei unserem letzten Zwischenstopp konnten wir unsere Vorräte auffüllen. Daher erwartet uns jetzt alle ein Festmahl, das nur hin und wieder durch die erschrockenen Ausrufe unserer geschätzten Passagierin unterbrochen wird, wenn sie eine Made im Essen oder ein anderes Getier auf dem Tisch findet. Für uns andere, die wir meistens schon mehrere Jahre zur See gefahren sind, ist das kein Problem.
Auch wenn das niemand laut vor ihr aussprechen würde. Daher erspare ich mir auch die Geschichten aus dem Fähnrichlogis, dem ich noch vor kurzem angehört habe und in dem wir bei mangelnden Vorräten schon mal die Schiffsratten als außergewöhnlichen Fleischersatz gehandelt haben. Zumindest solange jemand von uns ein passendes Rezept kannte.
Doch solche Dinge wurden nun allesamt hinter geziemter Höfflichkeit und guten Manieren oder zumindest deren Imitation verborgen. Daher wurde auch etwas mit dem Wein gespart, obwohl das schon fast gegen die guten Sitten an Bord verstieß. Doch alle Offiziere waren überein gekommen, das wilder Schwank und aktuelle Seemannslieder nichts für die Ohren einer feinen Dame waren. Daher hielt sich die Stimmung auch etwas gedämpft und es wurde zudem versucht, die Unterhaltungen nicht auf das Thema der Seekriegsführung auszudehnen. Aus diesem Grund wanderten die Gespräche bald zwischen neugierigen, doch interessierten Fragen von Mrs. Guttaring über die Seefahrt und dem Wiederkäuen der letzten Informationen aus der Heimat hin und her.
Beendet wurde das Essen dann jedoch nicht vom Kapitän, sondern recht schlagartig, als ein Fähnrich um Einlass bat und eine Nachricht des Wachoffiziers überbrachte. Dieser ließ melden, dass ein Segel in Sicht sei.
Der Kapitän entschuldigte sich und beendete mit einer, wenn auch etwas plumpen, Geste dieses gesellige Treffen. Wir anderen baten mit unterschiedlichem Grad an Höfflichkeit und Eifer bei der Dame um Verzeihung und folgten dann dem Kommandanten an Dock.
Die Nacht war inzwischen endgültig hereingebrochen, doch nicht dunkel genug, so dass die Offiziere, sobald sie die Laternen des anderen Schiffes gefunden hatten, auch dessen Umrisse im Teleskop erkennen konnten. "Eine Fregatte Sir"
stellte der erste Offizier fest und weitere Kommentare folgten. Ich schweige, konzentriere mich und versuche, die Stückpforten zu zählen. "Nun Mr. Arrows" wendet sich der Kapitän nun mir zu: "Was halten sie von unserem unerwünschten Begleiter?" Seine Worte legen nahe, dass er das Schiff schon als feindlich eingestuft hat. Eine Feststellung, der ich mich nach meinen Berechnungen nur zu gerne anschließen werde. Laut erwidere ich nun:
"Mindestens ein Vierundvierzig-Kanonen-Schiff, Sir, und das bei dem Blickwinkel. Da können es noch gut und gerne zehn mehr sein, ganz abgesehen von den Stücken und Karronaden auf dem Oberdeck." "Na dann tun wir gut daran, uns auf alles vorzubereiten, bis wir mit Sicherheit wissen, das es ein Feind ist" fährt der Kommandant fort und teilt dann mit knappen, harten Worten seine Befehle aus: "Mr. Gray, Segel trimmen und sagen sie Mr. Howard er soll das Lot ausbringen! Mr. Moore, ab mit ihren Leuten an Deck! Im Notfall will ich ihre Scharfschützen schnell auf die Marssaling schicken können. Und Mr. Arrows" nun bin ich an der Reihe: "sie kontrollieren bitte noch einmal ihre Stücke! Vor allem die langen Neuner und Karronaden im Achterbereich! Wenn wir stiften gehen, wollen wir ihm doch eine Verfolgung so schwer wie möglich machen." "Verstanden Sir" kommt meine ebenso kurze Antwort und dann trete ich ab und beeile mich, in meine Kammer zu kommen, solange sie noch existiert. Denn wenn der Befehl ertönt, das Schiff gefechtsklar zu machen, werden die Schotten dort abgeschlagen und Offiziersmesse und Leutnantskammern werden zum Teil des oberen Batteriedecks. Daher ziehe ich mich nun rasch um, lege die Arbeitsuniform an und verstaue alles andere sicher in meiner Seekiste, bevor ich zum Bug eile und dort mit meiner Arbeit beginne. Stück um Stück, die schweren Vierundzwanzigpfünder im Unterdeck, die Zwanzigpfünder in der Kuhl und schließlich die leichten Vierpfünder auf dem Oberdeck werden von mir unter Hilfe der Stückführer kontrolliert. Schloss intakt, Rohr klar und bereit, ausgerannt zu werden. Schließlich bin ich bei den beiden Vierundzwanzigpfund Karronaden auf dem Achterdeck angelangt. Unter dem abgedämpften Licht einer Gefechtslaterne mustere ich die beiden schweren Stücke und danach die bei ihnen lagernden Kugeln. Alles war bereit für den entscheidenden Befehl und den danach folgenden Kampf. Und dieser würde zweifellos hereinbrechen, sollte das andere Schiff wirklich feindlich sein. Ich kehre nun zum Ersten zurück und melde die Einsatzbereitschaft. Und damit beginnt nun das Warten, das Warten auf den Kampf, in diese Woge aus Pulverdampf, Blut und Lärm.



Eingereicht am 13. Oktober 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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