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Eingereicht am
25. Februar 2007

Kleine Helfer im Garten

© Evelyn Schütz

Kindergeschrei drang an mein Ohr. Um zu sehen, wer da so aufgeregt herumkrakeelte, schaute ich neugierig aus dem Fenster.

Lisa und Dennis, die beiden jüngsten Enkelkinder unserer Nachbarn liefen unten im Garten herum. Sie waren zu Besuch bei den Großeltern.

Hannes und Meta, früher einmal als Bauern tätig, betrieben hinter ihrem Haus einen riesigen Nutzgarten. Nachdem sie vor einigen Jahren die Landwirtschaft aus Altersgründen aufgegeben hatten, zogen sie hier eine Menge leckeres Grünzeug heran. Einen Großteil ihrer Zeit verbrachten sie in dem Garten. Da auch die Kinder mit Vorliebe darin herum tobten und spielten, kamen sie sehr oft zu Besuch.

Der Garten war ein super Spielplatz, in dem es immer etwas Neues zu entdecken gab. Hier konnte man wunderbar Früchte stibitzen, Schmetterlinge jagen und Regenwürmer ausgraben. Lisa schaute außerdem mit wachsendem Interesse den Großeltern bei der Arbeit zu. Heute stand die Kartoffelernte an. Klar, dass die Kinder wieder als Erntehelfer gekommen waren.

Dennis, der sich gerade einen Spaß daraus gemacht hatte, kreuz und quer durch die Kartoffelreihen zu springen, blieb abrupt stehen. Kritisch schaute er hinunter vor seine Füße. Er hatte einen Kartoffelkäfer entdeckt, nahm ihn auf und hielt ihn triumphierend hoch. Dann drehte er sich um, lief mit seinem Fund zu Lisa und verkündete seiner Schwester inbrünstig: "Den mache ich jetzt tot!"

Lisa, bereits etwas älter und größer als ihr Bruder, war jedoch schneller. Blitzartig ergriff sie den Käfer und brachte ihn in ihrer hohlen Hand in Sicherheit. Tadelnd sah sie den kleinen Bruder an. "N e i n, den macht man nicht tot. Den setze ich jetzt hier hin", rief sie, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand mit dem Käfer im hinteren Teil das Gartens.

Dennis lief sofort hinter her und meinte:" Doch, den macht man tot, gib her!" Er griff nach Lisas Arm. Doch er hatte keine Chance. Lisa streckte ihre Hand so hoch sie konnte. Da kam Dennis nicht heran. Er hatte verloren und ging nach Hilfe suchend zum Großvater. Mit der fragenden Feststellung: "Gel Opa, den Kartoffelkäfer macht man tot", erhoffte er sich Zustimmung. Großvater Hannes, vollauf damit beschäftigt, die reifen Kartoffeln aus der Erde zu graben, grob zu säubern und in einen Korb zu legen, meinte dann auch etwas abwesend: " Ja, ja, das kann man ruhig machen".

Lisa ihrerseits war zur Großmutter gerannt, um sich mit der empörten Feststellung: "Oma, den darf man doch nicht einfach tot machen, oder?", von dort ihre Bestätigung zu holen. Die Antwort der Großmutter konnte ich nicht hören, sah jedoch, dass Lisa zu dem alten Apfelbaum am hinteren Ende des Gartens rannte und daran hochsprang. Die ganze Zeit hatte sie den armen Käfer fest in der geballten Faust gehalten. Jetzt ließ sie das Tier, so hoch ihr Arm reichte, auf eine Astgabelung fallen und entließ ihn zurück in die Freiheit.

Schon kam Dennis angelaufen. Ein Blick in Lisas zufriedenes Gesicht zeigte ihm jedoch, der Käfer war aus dem Spiel. Weder er noch Lisa konnten ihn jetzt erreichen.

Was aus dem Käfer geworden ist? Wer weiß?

Gut möglich, dass er bereits durch die schützende Hand, die ihn eine Zeit lang fest umklammert gehalten hat, gestorben ist. Dann hat er in der Astgabel sein Grab gefunden.

Vielleicht hat er auch überlebt und ist davon geflogen, dann wird er noch eine Zeit lang an fremden Kartoffeln nagen.

Keine Ahnung, die Kinder jedenfalls hatten ihr Interesse verloren. Ohne weitere Worte, machten die beiden kehrt, sprangen in eine andere Ecke des Gartens und suchten im Gras herum.

Kurze Zeit später sah ich, wie sie friedlich vereint zusammen auf die Gartenbank saßen und sich gegenseitig neu gefundene Schätze zeigten.

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