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Alfonso und der Kirschbaum

© Steffen Haselmaier


Alfonso, die Amsel, flatterte vergnügt durch die Lüfte. In Mitten einer großen Wiese entdeckte er einen schönen großen Kirschbaum, auf den er flink zuflog. Dort saß nun der schwarz gefiederte Vogel und genoss das Leben und den wunderschönen Tag. Ein laues Lüftchen brachte die grünen Blätter und die weißen Blüten leicht zum erzittern. Es schien als fürchtete sich der mächtige Baum vor dem zierlichen Vogel. Mit seinen tiefschwarzen und gelb umringten Augen genoss er den Anblick dieser Blütenpracht. Alfonso versuchte sich vorzustellen, wie aus jeder einzelnen Blüte eine wunderschöne, saftige und herzförmige rote Kirsche wird. Aus lauter Vorfreude auf die reifen Früchte begann er mit seinem leuchtend gelben Schnabel ein fröhliches Lied zu flöten, dann erhob er sich wieder in die Lüfte und flog mit flinken Flügelschlägen seines Weges.
Unterdessen wurden die Tage immer länger und länger. Die Sonne schritt stetig höher bei ihrer täglichen Wanderung über das Firmament und ihre Kraft wuchs von mal zu mal. Da kam Alfonso abermals angeflattert. Doch der Baum war nicht so verlassen wie zuvor. Auf einem dicken knorrigen Ast, mit zahlreichen grünen und unreifen Kirschen, hatte es sich eine andere Amsel gemütlich gemacht. Diese kostete die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Morgens förmlich aus.
Alfonso entdeckte den gefiederten Widersacher sofort. Wutentbrannt stürzte er sich auf ihn und wenn er nicht so schwarz wie Kohle wäre, wäre er bestimmt rot vor Zorn gewesen. "Das ist mein Baum!" schrie Alfonso schrill. "Hier hast du nichts zu suchen!". Aufgeregt und fast zur doppelten Größe aufgeplustert hüpfte der in Rage gekommene Vogel vor seinem Rivalen umher. "Der Baum ist doch groß genug für uns Beide" erwiderte dieser. "Das sind aber alles meine Kirschen" sagte Alfonso, "Wenn die reif sind werde ich sie alle ganz alleine essen!" Die Beiden stritten so heftig und so laut, dass die Federn flogen. Alfonso beharrte darauf alle Kirschen für sich zuhaben und duldete keinen Konkurrenten. Schließlich gab Alfonsos Kontrahent nach und suchte enttäuscht das Weite.
Mit vor Stolz geschwellter Brust saß Alfonso auf seinem Baum und war voller Vorfreude auf die reifen Kirschen.
Noch oft musste die Amsel ihren geliebten Baum vor Kirschräubern schützen. Doch er blieb immer der stolze Sieger.
Nun war die Zeit gekommen. Die Kirschen sind reif! Früh war Alfonso schon unterwegs um ja keine der köstlichen Kirschen einem anderen hungrigen Vogel abgeben zu müssen.
Von weitem erblickte er schon seinen geliebten Baum. Er konnte die reifen, prallen roten Früchte beinahe schon riechen.
Fast angekommen, sah er sie. Ihm standen alle Federn zu Berge und sein Magen fühlte sich an, als hätte er lauter Kirschsteine verschluckt. Menschen! Viele Menschen! Männer Frauen, Kinder und Erwachsene. Sie hatten eine große hölzerne Leiter, die bis in die Krone reichte, an den Baum gestellt und ernteten die reifen süßen Früchte. Alle lachten und waren fröhlich über diese herrliche leckere Pracht.
Alfonso schaute diesem Treiben nicht länger zu. Es war so furchtbar für ihn, es tat ihm sogar im Herzen weh. Enttäuscht und auch wütend erhob er sich in die Luft und war schnell vom Blau des Himmels verschwunden.



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