www.online-roman.de
www.ronald-henss-verlag.de

Kindergeschichten Märchen Sagen Geschichte Erzählung Kindergeschichte

Kubi, Kürbisjunge

© Sandra Stutz


In Horrorstadt war an diesem Sonntag, Halloween, nichts so wie es sein sollte. Die Hexen hexten nicht, die Zauberer zauberten nicht, die Gespenster spukten nicht, die Zombies hatten keine Lust Menschen zu erschrecken und Graf Dracula verzichtete auf den Verzehr von Blutwurst. Das Schlimmste war aber, dass die Kürbisse nicht mehr tanzten. Was war bloss geschehen?
Alles begann zwei Tage zuvor, an jenem verhängnisvollen Freitagabend. Kubi, ein kleiner Kürbis der mit seinen Eltern an der Nachtstrasse Nummer 13 wohnte, ging wie jeden Tag von der Schule nach Hause. Er mochte die Schule, denn hier in Horrorstadt lernten die Kinder nicht nur lesen und schreiben, nein ein wichtiger Teil des Unterrichts waren Fächer wie: "Spuken, wie erschrecke ich Menschen" oder auch "Verhexen von Menschen und Tieren". Natürlich gab es für jede Spezies auch noch spezielle Fächer. Für Zombies zum Beispiel stand "Anatomie, oder die Lehre des richtigen Ansetzen verlorener Gliedmassen" auf dem Stundenplan, für Vampire "Blutgruppenlehre" und für Kürbisse natürlich "Tanzen".
Kubi freute sich, er hatte eine Eins in Tanzen und wollte sich diese Note von seinen Eltern belohnen lassen. In seiner Stadt war es üblich, dass man bei guten schulischen Leistungen einen Wunsch gewährt bekam. Eine Eins zu bekommen war nämlich ungleich schwerer als bei uns, weil man dafür nie einen einzigen Fehler machen durfte. Seufzend dachte Kubi an seine letzte gute Note. Damals hatte er eine eins minus in "Geschichte des Horrors" gemacht und so seinen Wunsch nach einem Bad in süssem Schockopuding erfüllt bekommen. Das war für seine Eltern ein leichtes gewesen, denn ihre besten Freunde waren Herr und Frau Hexano, zwei wirklich talentierte Zauberer, bzw. Hexen und die konnten mit einem einfachen Wedeln des Zauberstabes im Nu eine ganze Badewanne voll Schockopuding herzaubern. Als Gegenleistung bekamen sie dafür eine private Vorstellung des berühmten Kürbistanzes seiner Eltern dargeboten.
Auf seine Eltern war Kubi besonders stolz. Sie waren die besten Tänzer in ganz Horrorstadt und das wollte bei der Konkurrenz an Kürbissen was heissen.
Kubi war ein wenig nervös. Dieses Mal wollte er sich einen ganz besonderen Wunsch erfüllen lassen. Würden seine Eltern wohl einverstanden sein? Als er die Haustür öffnete, konnte er die Beiden bereits von weiten ihren neuen Tanz üben höhren: "Gisela, roll weiter nach links" hörte er gerade seinen Vater Bernd rufen als er das Wohnzimmer betratt. "Hallo, ich bin wider da" mit einem Grinsen rollte Kubi in den Raum. Seine Eltern waren wirklich zwei besonders schöne Tanzkürbisse. Sie besassen die optimale Färbung, orangerot, und auch ihre Rundungen waren einfach Perfekt. "Hallo Schatz, wie war die Schule" wollte seine Mutter wissen. "Sehr gut, ich habe eine Eins in Tanzen". Die Gesichter seiner Eltern leuchteten auf. Das sah fast so feierlich aus wie jeweils an Halloween wenn sie die Kerzen in ihrem Inneren entzündeten.
"Wie schön! Wir sind sehr stolz auf dich. So wie ich dich kennen, hast du bestimmt den ganzen Schulweg darüber nachgedacht, welchen Wunsch wir dir als Belohnung erfüllen sollen". "Gisela", meldete sich der Vater zu Wort, "lass den Jungen doch erst mal den Schulsack abstellen und dann rollen wir alle in die Küche. Dort lässt sich bei einer schönen Tasse Tee am besten reden".
Also rollte die ganze Familie in die Küche. Kubis Mutter setzte das Teewasser auf und sein Vater suchte einen besonders guten und wohlriechenden Tee aus. Als dann endlich alle drei mit einer dampfenden Tasse am Tisch sassen, fragte der Vater endlich: "So mein Junge, was möchtest du denn gerne haben?". Kubi atmete tief ein. "Ich würde gerne mal alle Kerzen von Horrorstadt auf dem Rathausplatz leuchten sehen". Die Eltern schauten sich verblüfft an. Eigentlich hatten sie so etwas wie einen eigenen Bonbonhund erwartet. Diese Rasse ist wirklich lustig. Im Gegensatz zu normalen Hunderassen wie dem Zombiehund oder dem Werwolf, bestand sein Fell aus lauter Bonbons. Besonders beim Fellwechsel, wenn er alle alten durch neue ersetzte, konnte man nach Herzenslust naschen.
"Möchtest du nicht lieben was anderes?", Kubi war sich aber sicher. "Ich möchte genau das, ich möchte einmal alle Kerzen von Horrorstadt auf einmal brennen sehen". Störisch verschränkte er seine Blätter. "Na gut, wir werden sehen was sich machen lässt".
In dieser Nacht diskutierten die Eltern noch weit bis Mitternacht und gegen Morgengrauen hatten sie die Lösung gefunden. Sie baten den Bürgermeister von Horrorstadt, einen alten Hexer, um Hilfe. Zum Glück kannten sie sich schon länger und so war es für ihn kein Problem mit einem gezielten Zauberspruch alle Kerzen von Horrorstadt auf dem Rathausplatz aufzustellen. Die anderen Bewohner der Stadt waren etwas irritiert, als sie das Verschwinden bemerkten, aber natürlich zeigten sie Verständnis, als sie den Grund für das Fehlen aller Kerzen erfuhren. Es ist halt ein ungeschriebenes Gesetzt, dass die Wünsche der Kinder bei guten Noten zu erfüllen sind. Ausserdem, was passte wohl besser als das so kurz vor dem romantischsten Fest, Halloween, des ganzen Jahres?
Schnell eilten die Eltern nach Hause um Kubi zu wecken. "Wir haben eine Überraschung für Dich, heute Abend wirst du sie sehen". Er wusste natürlich genau, was seine Eltern meinten, aber er beschloss das Spiel mitzuspielen. Insgeheim freute er sich jedoch schon sehr auf den Anblick, wenn all die Kerzen um die Wette leuchten würden. Gegen Abend machte sich dann die ganze Familie auf den Weg zum Rathausplatz. Kubi und seine Eltern wurden vom Bürgermeister persönlich zum besten Aussichtspunkt auf das Kerzenmeer geführt und mit einem "Ilumini saga dim" entzündete er alle Kerzen. Was für ein Anblick. Tausende und abertausende von leuchtenden Punkten waren über den Platz verteilt. So etwas Schönes hatte Kubi und seine Eltern noch nie gesehen. Staunend und lachend freuten sie sich über den Anblick und bemerkten gar nicht, dass in der Zwischenzeit auch die anderen Stadtbewohner aus ihren Häusern gekommen waren und ebenfalls staunend zusahen wie die Kerzen friedlich brannten. Nach einer Weile, Kubi kam es wie Minuten vor, waren alle Kerzen heruntergebrannt und erloschen. Er, seine Eltern, der Bürgermeister und auch alle anderen Stadtbewohner machten sich zufrieden und mit einem wohligen Gefühl im Bauch auf den Heimweg.
Am nächsten Tag am Halloweensonntag, hörte Kubi seine Eltern laut diskutieren. "Warum haben wir nicht daran gedacht?" Gisela war ausser sich. "Das ist das Schlimmste was unserer Stadt je passiert ist und wir sind schuld". "Nein, der Herr Bürgermeister hat auch nicht daran gedacht und auch sonst niemand". Sein Vater klang wütend. "Guten Morgen". Kubi betrat langsam die Küche. "Guten Morgen" sagte auch sein Vater während die Mutter langsam von ihm weg rollte und dabei versuchte sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. "Was ist denn passiert?" "Heute ist Halloween, der wichtigste Tag im ganzen Jahr und wir haben keine einzige Kerze mehr die wir zur feierlichen Eröffnung entzünden können. Du weist doch mein Sohn, ohne eine Kerze zur Eröffnung können wir nicht in die Welt der Menschen. Die Tür öffnet sich nun einmal nur im Schein einer Kerze".
Kubi wurde bleich. Daran hatte er gar nicht gedacht, als er seinen Wunsch geäussert hatte. Was sollte er nur tun? Schnell zog er sich an. "Bin am Abend zur Eröffnung wider da" rief er und rollte auch schon zur Tür heraus. Es musste ihm was einfallen, irgendwas um die Katastrophe zu verhindern. Ein Halloween ohne Menschenerschrecken? Das durfte nicht passieren. Das Bild das sich Kubi in der Stadt bot war schlimm anzusehen. Alle Bewohner hatten alle resigniert und schlichen mit herunterhängenden Schultern durch die Strassen.
Das war also der Grund für das seltsame Verhalten der Bewohner von Horrorstadt. Am schlimmsten deprimiert war jedoch Kubi. Er war schliesslich mit seinem blöden Wunsch für das Fiasko verantwortlich. Er überlegte lange wie er dieses Problem lösen könnte, aber es viel ihm einfach nichts ein. Alle Kerzen waren doch am Abend zuvor vollständig heruntergebrannt. So in seine Gedanken versunken bemerkte er nicht, wie er immer weiter in den Gruselwald ging. "Hallo" Kubi erschrak fast zu Tode. Was war das denn für ein Ding? Es hatte so komisch glatte Haut, auf dem ganzen Kopf Haare und keine einzige Warze war zu sehen. Ausserdem trug es keinen Hut. Es war sicher kein Kürbis, aber auch eine Hexe oder ein Zauberer schied aus. "Was bist du denn?" Kubi hatte sich von seinem Schreck schnell erholt. Trotz des komischen Äusseren war das Ding doch eindeutig ein Kind wie er und somit sicher nicht gefährlich. "Ich heisse Susanna". "Ich bin Kubi, was bist denn du für eine Kreatur?". Das Mädchen schaute ihn komisch an und antwortete "Ich bin keine Kreatur sondern ein Mensch". Das konnte doch nicht war sein. Wie kommt ein Menschenkind nach Horrorstadt. "Was machst du hier? Du dürftest doch gar nicht hier sein".
So kam es, dass Susanna ihre Geschichte einem kleinen traurigen Kürbis anvertraute. Beim Spielen im Wald sei ihr eine komische kleine Holztüre aufgefallen. Das war besonders seltsam, da die Türe ganz alleine, also ohne Haus darum herum, einfach so dastand. Neugierig wie sie war, beschloss sie die Sache genauer unter die Lupe zu nehmen. Als sie die Türe öffnete, sah sie einen schönen Platz auf welchem tausende von Kerzen brannten und welche sie auch gleich genauer unter die Lupe nehmen wollte. "Als ich durch die Türe getreten bin, habe ich all die seltsamen und grusligen Kreaturen gesehen. Dann wollte ich sofort wieder zurück, aber die Türe ging nicht mehr auf. Also bin ich fort gerannt und habe mich hier versteckt. Als ich dich gesehen habe, dachte ich Du bist ein so schöner Kürbis, du bist bestimmt nicht gefährlich. Kannst du mir sagen, warum ich die Türe nicht mehr aufbekommen habe?" Kubi antworte ganz aufgeregt und auch ein wenig verlegen: "Das liegt daran, dass es den Schein einer Kerze benötigt um die Türe zu öffnen und das geht auch nur an Halloween und wir haben keine einzige Kerze mehr in der ganzen Stadt und darum sind alle so traurig und ich bin schuld". Susanna war erleichtert. Endlich wusste sie wie sie wieder nach Hause kommen konnte. Ausserdem konnte sie so dem netten Kürbis vielleicht auch helfen? "Ich hatte eine Laterne mit einer Kerze bei mir als ich die Tür fand. Sie muss noch irgendwo auf dem Dorfplatz sein. Ich habe sie fallen gelassen als ich mich beim Anblick der Bewohner hier so erschreckt habe". "Komm, gehen wir zurück zum Platz, dort muss sie ja noch sein!".
Aufgeregt begannen die Kinder danach zu suchen. Erst in allen Ecken, dann in allen Rundungen, jede Ritze wurde untersucht und jeder Spalt. Als es bereits einzudunkeln begann hatten sie die Laterne noch immer nicht gefunden und es kamen auch schon die ersten Bewohner, auch die Eltern von Kubi, um wie jedes Jahr Holloween zu feiern. Denn die Erwachsenen hatten in einer eilig einberufenen Versammlung beschlossen, das Fest der Feste in Horrorstadt trotz des Unglückes zu feiern. Auch wenn das traditionelle Menschenerschrecken der Erwachsenen aufgrund der fehlenden Kerze ausfallen musste. Kubi rollte so schnell er konnte zu seinen Eltern und erzählte ihnen von Susanne und ihrer Laterne und diese informierten sogleich den Bürgermeister und alle anderen Bewohner.
Als diese das hörten, begangen auch sie zu suchen. Es ging jetzt ja nicht mehr nur um ihr Fest, auch das kleine Menschenkind musste zurück nach Hause kommen. Wenn sie die Laterne nicht bis Mitternacht fanden, musste sie ein Jahr warten bis wieder die Möglichkeit zur Öffnung der Tür bestand. Kurz vor Mitternacht, genau um 23.55 Uhr schallte ein "Hier, ich hab sie!" über den Rathausplatz. Eine alte, mottenzerfressene Mumie hatte die Laterne in einer dunklen Ecke unter dem Brunnen auf dem Platz entdeck. Doch wie sollte man die Kerzte entzünden? Kein Feuerzauber schien zu wirken. Susanna hatte sich derweilen wieder in einer dunklen Ecke versteckt, sie traute den vielen seltsamen Kreaturen nicht. Jetzt jedoch nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und tratt hervor. "Ich habe Streichhölzer", sagte sie mit einer Stimme, kaum lauter als ein Mäusepipsen. Niemand nahm Notitz von ihr. Darum sagte sie nochmals, lauter: "Ich habe Sreichhölzer". Endlich hörte man sie. Grosser Jubel brach aus, als der Bürgermeister mit einem schnellen Srich, eines der Streichhölzer entzündete und damit die Kerze entfachte. In letzter Minute stellte er die Laterne vor die kleine, aber doch so wichtige Holztüre.
Zuerst geschah nicht viel, ausser einem schwachen, grünen Schimmer der die Tür jetzt bedeckte. Dieses Licht wurde aber schnell stärker und schien nun direkt aus jeder Ritze der Tür zu strahlen. Mit einem lauten Knall brach diese dann auf und alle Bewohner jubelten vor Freude. Besonders Susanne konnte ihr Glück kaum fassen. Endlich konnte sie nach Hause gehen, weg von diesem Ort mit seinen schrecklich anzusehenden, aber doch freundlichen Bewohnern. Diese waren ausser sich. Die Hexen hexten allen Warzen auf die Nase, die Zauberer zauberten bunte Skelette auf die Häuser, Graf Dracula verkündete lauthals dass er grosse Lust auf eine schöne Blutwurst hätte und die Kürbisse tanzten und rollten wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
Dieses Halloween würden sie so schnell nicht vergessen und auch Susanne musste in den nächsten Tagen immer wieder an diese seltsame Stadt denken die sie seit dieser Nacht aber nur noch in ihren Träumen besuchte. Auch Kubi vergass dieses Abenteuer nicht so schnell. Jeden Abend wen er zu Bett ging, überlegte er sich ob sich die Wege von Susanna und ihm wohl jemals wieder kreuzen würden? Kubi ahnte nicht, wie bald dies schon geschehen würde ...



Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.

© Dr. Ronald Henss Verlag   |   Datenschutz   |   Impressum