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Eingereicht am
03. März 2008

Ein Frauenkenner am Matterhorn

© Hans-Jörg von Büren

Ich hasse Geburtstage, am meisten die eigenen. Nichts als Stress, Kosten und nutzlose Geschenke, die ich dann entsorgen muss. Im Übrigen: Wofür soll ich mich feiern lassen? Ist es mein Verdienst, dass mich meine Mutter an einem 7. Juli unter Schmerzen geboren, mein Vater neun Monate zuvor mit einem Aufschrei gezeugt hat? Umgekehrt sehe ich nicht ein, weshalb ich Jahr für Jahr für etwas büßen soll, das ich nicht verschuldet habe.

Neulich war es wieder mal so weit: Mein Geburtstag stand bevor. Schlimmer noch, es war der dreißigste und - wie um das Maß voll zu machen - Samstag der 7.7.7. "Das wird ja wohl eine Gigaparty", sagten alle und warteten auf die Einladung. Panik ergriff mich. Wo, in welcher Form, mit welchen Leuten? Die letzte Frage war die schwierigste, denn unter den auf jeden Fall Einzuladenden waren drei, die einander auf keinen Fall begegnen, ja nicht einmal voneinander wissen durften. Carole, Steffi und Sandra freuten sich darauf, meine Freunde kennenzulernen, aber damit, dass da auch Freundinnen sein könnten, rechnete keine.

Bitte, ich bin kein Playboy. Frauen scheinen mich halt zu mögen, und es fällt mir schwer sie abzuweisen. Ich bin auch nett zu ihnen und sage Dinge, die sie gerne hören. "Du bist eine schöne und geistreiche Frau" zum Beispiel. Frauen schätzen Wertschätzung. Später am Abend kann ich auch leidenschaftlich werden. "Jede Pore deiner Haut!" pflege ich dann zu rufen. Frauen wollen begehrt werden, mit Haut und Haar.

Zurück zu meinem Jubeltag. Ich beschloss, ihn aus dem Kalender zu kippen, für niemanden da zu sein an diesem Wochenende, einfach abzutauchen. Aber wie, wo, unter welchem Vorwand? Dass ich mich in eine Kartause oder an einen anderen Ort der Stille zurückzöge, um über die vergangenen dreißig und die kommenden siebzig Jahre nachzudenken, hätte mir wohl niemand abgenommen. In meiner Not wandte ich mich an Igor. Er lügt fließend in fünf Sprachen und ist nie um Ausreden verlegen; für einen Bourbon oder drei erfindet er auch mal eine für einen Freund.

"Gar nicht einfach", sagte er und schob das leere Glas über die Theke. Der Barkeeper sah mich fragend an; ich nickte. "Lass mich nachdenken", sagte hierauf Igor. Um seine Lippen tat sich etwas, als formten sich Einfälle zu Wörtern und Sätzen. "Du musst aufs Matterhorn", sprach er dann. Ich verschluckte mich an meinem Caipirinha. "Was muss ich?" gelang es mir zu röcheln. "Aufs Matterhorn. Das ist es doch! An deinem dreißigsten Geburtstag erfüllst du dir einen Jugendtraum; auf der Höhe deines Lebens willst du vollbringen, was dir Arthrose, Atemnot und Gleichgewichtsstörungen später verbieten würden." Er kam richtig in Fahrt, während ich mich ungebremst über eine vereiste Felsplatte schlittern und, einen verärgerten Führer mit mir reißend, in die Tiefe stürzen sah. "Sag mal, willst du mich in den Tod schicken?", fragte ich. "Nicht doch", beschwichtigte der Freund. "Du musst ja gar nicht da hinauf; nur überzeugend davon reden und nachher glaubwürdig davon erzählen musst du." Das gefiel mir schon besser. "Aber das Foto auf dem Gipfel, das Diplom der Veranstalter?", wandte ich noch ein. "Fälschen", sagte Igor bloß. "Wichtig ist nur, dass du dich genau über Matterhorn-Besteigungen und das Drum und Dran informierst. Um glaubhaft zu lügen, muss man wissen, was stimmen könnte."

Das fatale Datum rückte näher. Da mir nichts Besseres einfiel, begann ich, Igors Matterhorn-Schmäh unter die Leute zu bringen. Im Internet fand ich alles, was Lebensmüde über den Berg und seine Besteigung wissen müssen. Die erforderliche Ausrüstung lieh mir mein Zahnarzt, der im Eis des Annapurna drei Zehen verloren hatte und den es vorderhand nicht mehr ins Gebirge zog. Ich platzierte Helm, Klettergurt, Steigeisen, Stirnlampe und so fort gut sichtbar in meiner Wohnung. Allfällige Besucherinnen sollten sich ja von der Ernsthaftigkeit meines Vorhabens überzeugen können. Dies erwies sich freilich als müßig, denn weder Sandra noch Carole oder Steffi zogen meine Entschlossenheit in Zweifel. Sie bewunderten mich für meinen Mut, verschmerzten die entgangene Party und freuten sich darauf, nach meiner glücklichen Rückkehr mit mir allein feiern zu können.

Bevor sie sich am Matterhorn versuchen, sollen Flachlandbewohner ein Höhentraining im umliegenden Gebirge absolvieren. Empfohlen wird ein etwa zehntägiger Aufenthalt in Zermatt. Gegen einen solchen war nichts einzuwenden. Ohnehin war ich noch nie da oben gewesen und hatte den Berg, über dessen Bezwingung ich zu berichten haben würde, erst einmal in einem Disneyland bei Los Angeles gesehen. Ich rief Zermatt Tourismus an und fand ein Hotelzimmer mit Balkon und Blick auf das Matterhorn.

Es ist schon eine Wucht! Eine kalte Flamme, die am Ende des Hochtals in den Himmel schießt, eine kantige Schöne, lockend und schroff zugleich. Ganz konnte auch ich ihr nicht widerstehen. Vorsichtig pirschte ich mich an sie heran, schlich um sie herum, blickte an ihr empor. Mit dem Fernglas beobachtete ich die bunten Ameisen, die auf ihr herumkrabbelten. Bald kannte ich jeden Tritt und jeden Griff. Allmählich gewöhnte ich mich auch an die dünne Luft; zuletzt schaffte ich es sogar zur Hörnli-Hütte, wo man sich - auf schon mal 3260 Meter über Meer - am Vorabend der Besteigung mit dem Bergführer trifft und versucht, im Touristenlager ein paar Stunden zu schlafen, bevor es dann morgens um halb vier zur Sache geht.

Am Tag vor meinem eigenen Angriff aufs Matterhorn nahm ich mit einem SMS Abschied von meinen Lieben. Nach dem Mittagessen, schrieb ich, breche ich zur Hörnli-Hütte auf. Dann fuhr ich nach Zürich zurück.

Meine Wohnung war dunkel. Vor meiner Abreise hatte ich die Rollläden heruntergelassen. Ich ließ sie unten und sichtete bei gedimmtem Licht die Post, die meine Putzfrau heraufgebracht hatte. In einem mit Karton versteiften Umschlag fand ich das Matterhorn-Diplom, das ein befreundeter Grafiker mir verlieh, samt dem Gipfelfoto, das ich ebenfalls im Wartezimmer meines Zahnarztes abgepixelt hatte. Unter der von der Hochgebirgsbrille halb verdeckten Nase hatte der Bildschirmbarbier meinen gepflegten Schnurrbart eingefügt, entnommen einem Chip von seinem Polterabend. Unverkennbar ich! Nun brauchte ich nur noch den Alpinistenkram auszupacken, den ich in einer Seemannskiste verstaut hatte, und die Sachen wieder aufzustellen und aufzuhängen. Müde, aber zufrieden ging ich zu Bett.

Den Aufbruch um halb vier verschlief ich, aber kurz vor neun Uhr konnte ich meine Ankunft auf dem Gipfel verkünden. Ich fasste mich kurz, auch weil meine klammen Finger an den eisigen Tasten klebten. Ich werde nochmals in der Hörnli-Hütte übernachten, fügte ich noch bei. Dann öffnete ich die Terrine mit Foie gras de Strasbourg und die Flasche Dom Pérignon, die ich für den Anlass kühl gestellte hatte, warf Brot in den Toaster und feierte meinen Sieg über das Matterhorn.

Geschafft! Alles hatte geklappt; nichts, das schief gegangen wäre. Dankbar gedachte ich Igors. Auf seine Lügen ist Verlass. Anerkennung gebührte auch dem Grafiker und meinem Zahnarzt. Ich beschloss, dessen Rechnung für die Behandlung im Mai schon Ende August zu bezahlen.

Draußen schien die Sonne, aber ich wagte mich nicht auf die Straße, hangelte ich mich doch gerade erst ins Tal hinunter. Ich las die SMS und E-Mails mit Geburtstagswünschen, die immer noch eintrafen, und hörte die gespeicherten Anrufe ab. Später holte ich einen Stoß ungelesener Bücher und las eines echt zu Ende. Gegen Abend legte ich mich ein wenig hin und schloss die müden Augen.

Den verdienten Schlaf verdarb mir das Matterhorn. In den wirren Träumen, die mich heimsuchten, musste ich es doch noch besteigen. Mit dabei waren der Zahnarzt, Steffi und ihr Ehemann, der Archäologe ist und dessen häufigen Reisen sie die Nächte mit mir verdankte.

Es war entsetzlich. In den Kletterpassagen konnte ich mindestens noch Stein anfassen, aber auf dem schmalen Grat griff ich links und rechts ins Leere. Der Schwindel lähmte mich; ich konnte keinen Schritt mehr tun. Auch die sonst so beruhigende Stimme des Zahnarztes half da nichts. Ich ging auf alle Viere hinunter. "Auf, junger Mann!", rief Steffi. Das pflegte sie sonst nur zu meinem kleinen Freund zu sagen, viel netter freilich und nicht ohne ihm eine helfende Hand zu reichen. Ein plötzlicher Windstoß fegte mich fast über die Kante. Ich legte mich flach auf den Bauch, was auf dem kalten und scharfkantigen Fels ziemlich unbequem war, zumal ich immer noch meinen Pyjama anhatte. Steffis philologisch gebildeter Gemahl lachte höhnisch und zitierte Homer: "Weichling, an Schönheit ein Held, weibsüchtiger, schlauer Verführer, der nun im Staube sich windet ..." Das reichte mir. "Viel Spaß beim Absturz!", schrie ich. "Wir sehen uns dann im Tal wieder. Ich nehme die Gondelbahn." Noch im Traum wurde mir bewusst, dass es die gar nicht gab und dass ich, wenn es sie gäbe, zuerst zur Station kriechen müsste. Schweißgebadet wachte ich auf.

Es war acht Uhr; mein Geburtstag näherte sich endlich dem Ende. Ich zog mich aus, um zu duschen. Zuvor bestellte ich bei Pizzissimo eine Margherita und eine Flasche Pompeiano. Diese Kraxelei zehrt aus.

Ich war gerade dabei, meinen von Shower Gel duftenden Body zu trocknen, als es an der Wohnungstür klingelte. So früh hatte ich den Pizzakurier nicht erwartet. Ich schlang das Badetuch um die Hüften und ging aufmachen. Auf dem Treppenabsatz standen Carole, Steffi und Sandra und sangen lauthals "Happy Birthday".

"Was, ihr?", stammelte ich.

"Hast du eine andere erwartet?", fragte Carole zurück.

Ich ließ die drei eintreten, schon wegen des Lärms im Treppenhaus. Sie fühlten sich ganz wie zu Hause und gingen stracks in die Küche. Steffi fand meine Reserveflasche Dom Pérignon, Carole die Sektgläser mit Goldrand, die ich von meiner Großmutter geerbt hatte, Sandra eine Dose mit Aperokonfekt. "Tut euch keinen Zwang an", sagte ich, aber nur Sandra nahm die Spitze wahr. "Wir wollten etwas von deiner Pizzeria mitbringen, aber du hattest eben erst selbst angerufen", sagte sie." Übrigens haben wir die Lieferung ein wenig verschoben."

Steffi brachte den Toast aus: "Auf unseren Spiderman!" Die anderen stimmten ein. Anschließend war ich noch ihr Sir Hillary, ihr Lord Whymper und ihr Heinrich Harrer. Sie amüsierten sich köstlich. "Woher kennt ihr euch überhaupt?", konnte ich endlich fragen. "Das erfährst du früh genug", antwortete Carole für das Trio. "Und woher wusstet ihr, dass ich hier bin?", wollte ich doch noch wissen. "Ach", sagte Steffi, "im Hotel warst du ausgezogen, in der Hörnli-Hütte hatte man nie von dir gehört, also dachten wir, wir sollten mal in deiner Höhle nachsehen."

Ich musste mir etwas einfallen lassen. "Ja", sagte ich bedrückt, "ich habe halt beim Abstieg ein Fußgelenk verknackst und musste früher heimkehren." Zu spät wurde ich gewahr, dass unter dem Badetuch meine schlanken und unversehrten Fesseln hervorschauten. Es wurde ein Lacherfolg. "Hattest du nicht Angst im Rettungshelikopter?", fragte Carole.

Weibliche Häme erträgt Mann schlecht. Ich ging zum Gegenangriff über. "Wo sind eigentlich die Geschenke?", fragte ich. Es war das Stichwort.

"Das Geschenk sind doch wir!", riefen die drei im Chor.

Dann ging es los:

"Wir bescheren dir die Nacht der Nächte!"

"Eine Nacht, die du nie vergessen wirst."

"Liebe auf Vorrat."

"Sex to the sixties!"

"Freuden, von denen du nicht einmal zu träumen wagtest."

"Das Reich der Sinne!"

"Alles, wofür dir eine allein nicht genügte."

"Jetzt kriegst du es im Dreierpack!"

Carole hatte begonnen, sich auszuziehen; die anderen taten es ihr nach. Sie zerrten mich von der Hausbar weg, wobei eines meiner kostbaren Sektgläser in Brüche ging, und schoben mich ins Schlafzimmer. Sandra und Steffi deckten das Bett ab und machten es sich schon mal bequem. "Du magst doch Massenlager", flachste Steffi.

"Sagt mal", schrie ich, "seid ihr eigentlich bekifft, bekokst oder besoffen?"

"Liebestrunken", hauchte Carole. Sie schmiegte sich an mich und schenkte mir einen ihrer Küsse mit Himbeeraroma. Noch hätte ich die drei Weiber aus meiner Wohnung schmeißen können, ihre Klamotten hinterher, aber dann begann mich dieser 3+1-Vierer zu reizen, und auch unter dem Badetuch regte sich etwas. "Dann bedient euch halt!", rief ich und ließ die Hülle fallen.

Nach etwa zwei Stunden klingelte es wieder an der Wohnungstür. Steffi ließ den Fuß, dessen Reflexzonen sie gerade bearbeitete, fallen, und auch Carole, die am Kopfende saß und in deren Schoß mein Haupt gebettet war, so dass sie mit beiden Händen meine Schläfen kraulen konnte, verließ mich ohne Voranzeige. Hintereinander liefen sie zum Flur. Ich schob Sandras lange schwarze Haare, die auf mein Gesicht herabfielen, ein wenig zur Seite und sah gerade noch vier Pobacken um die Ecke flitzen.

Diesmal war es wirklich der Pizzakurier. Ich hörte seine Stimme; er klang etwas verwirrt. Steffi kam mit der Pizzaschachtel, Carole mit der Flasche Pompeiano zurück. Sandra beendete ihren Akt mit einem flotten Galopp und einem kleinen Schrei, stieg ab und gesellte sich zu den anderen. Statt über mich machten sich die drei nun über die Pizza her. Das verschaffte mir eine Pause. Ich drehte mich zur Seite und schlief ein.

Oreganoduft weckte mich. "Da, stärke dich, wir brauchen dich noch", sagte Steffi und schob mir ein Stück kalte Pizza in den Mund. Ich kriegte auch ein Glas von meinem Wein; dann gingen meine Besucherinnen wieder ans Werk. Immerhin hatten sie mir ein wenig Erholung gegönnt; ich war wieder einigermaßen munter und wurde sogar selbst aktiv, bis das Knie, das ich beim Tango in einer dieser Drehbeugen verrenkt hatte, wieder zu schmerzen begann. Allmählich hatte ich ohnehin genug. Ich habe doch nur einen, und der ist keine Kalaschnikow. Zwischen Armen, Beinen, herabhängenden Brüsten und Haaren erhaschte ich einen Blick auf meinen Radiowecker. Es war zwei Uhr. "Schluss jetzt!", rief ich. "Sonntag 8. Juli; die Geburtstagsparty ist vorbei." Es wirkte. "Lassen wir ihn, da kommt eh nur noch heiße Luft", sagte Carole. "Im !WOW! ist heute Summernight Party." Die andern waren begeistert. "Frisches Fleisch!", rief Steffi. Sie suchten ihre Reizwäsche zusammen und schickten sich zum Gehen an. Ich hielt sie nicht zurück.

Um halb zehn weckte mich die Glocke, die zum Gottesdienst rief. Ich konnte nicht hingehen, denn ich roch nach Unzucht und hatte am ganzen Körper Schmerzen, die das Chorgestühl nicht erträglicher gemacht hätte. Für eine erste Schadenbesichtigung schleppte ich mich ins Badezimmer. Vor dem Spiegel betastete ich die zerbissenen Lippen und Ohrläppchen, die angeknabberten Brustwarzen und den wundgebohrten Nabel; wenn ich mich ein wenig drehte und über die Schulter blickte, sah ich auch die Spuren, die Caroles Bleistiftabsätze auf meinem Rücken hinterlassen hatten. Verhältnismäßig glimpflich davongekommen war mein Schmuckstück, sah man von einigen unschönen Rötungen und einem kleinen Gebissabdruck ab, in welchem ich nicht ohne Rührung Steffis Zähnchen erkannte. Die nachtblauen Flecken auf meinem liebsten, weil empfindsamsten Häutchen, die mich beim Pinkeln beunruhigt hatten, erwiesen sich als abgestreifte Wimperntusche von Sandras Schmetterlingsküssen.

Ich schlurfte in die Küche, um einen Capuccino zu brauen. Auf dem Tisch lag Papier. Es war das Protokoll eines Private Chats von Mitte Juni. Unter www.ladyshave.ch hatten sich vier Damen zu einem Fachgespräch gefunden: *fanny_hill*, *deep_throat*, *anaïs_nin* und *lucrezia_borgia*. Als Thema an diesem verregneten Abend, wie sie schrieb, schlug Fanny Bettgeflüster vor. Deep Throat fand das Quatsch. Im Bett sei das Mundwerk nicht zum Tuscheln da, sondern ausschließlich für das Anagramm davon, tippte sie ein und stieg aus. Nutte, befand Lucrezia. Das Thema sei doch prima. Als ihr Neuer ihr beim ersten Mal "Jede Pore deiner Haut!" ins Ohr gekeucht habe, hätte sie das echt angetörnt. Komisch, fanden die anderen, ihre Neuen hätten für sie die gleichen Worte gefunden. "Jedes Fältchen deiner Lippen!" habe ihrer noch nachgeschoben, fügte Anaïs an, bevor es dann weiter südlich gegangen sei. Dasselbe Lippenbekenntnis war auch den anderen zuteil geworden. Vielleicht Lines aus einem Ratgeber für ungeküsste Männer, mutmaßte Lucrezia, aber bei Fanny war der Groschen schon gefallen. Ob die Neuen der anderen auch vorhätten, am 7. Juli das Matterhorn zu besteigen, fragte sie. So war es. Dann würden sie sich ja die drei Gipfelstürmer dort oben treffen *ggg*, meinte Anaïs. Ihre drei hier unten bleibenden Liebchen fanden, sie müssten einander kennenlernen, und verabredeten sich für das nächste Wochenende.

Ich war empört. Kann ich zulassen, dass mein geistiges Eigentum in einer Internet-Quasselbude missbraucht wird? Zudem fühlte ich mich veräppelt. Während ich ihnen treuherzig Liebesgrüße aus den Bergen geschickt und sogar versichert hatte, ich würde es mit ihnen auch auf einer Geröllhalde tun, waren die drei schon dabei gewesen, ihren Überfall auszuhecken. Ich zerknüllte den Wisch und wollte ihn in den Papierkorb schmeißen. Dann sah ich, dass auf der Rückseite etwas von Hand geschrieben stand. Ich glättete das Papier und las:

Guten Morgen Swinger!
Es war unsere Abschiedsvorstellung, wir ziehen weiter, und du wirst uns nie wiedersehen. Wir hatten aber viel Spaß mit dir heute Nacht und haben dir auch dafür zu danken, dass wir uns durch dich bzw. deine Sprüche kennengelernt haben. Der Beginn einer langen schönen Freundschaft!
Fanny Anaïs Lucrezia

Seither sind Wochen vergangen. Ich habe mich von meinen körperlichen und seelischen Verletzungen einigermaßen erholt und lasse auch wieder Frauen an mich heran. In eine habe ich mich echt verliebt. Sie ist wunderschön, witzig, lustig und die beste Tanzpartnerin, die ich je hatte. Ein Haar in der Suppe ist da freilich: Evi kommt aus dem Südtirol und will mit mir, seit sie das Matterhorn-Diplom in meinem Klo gesehen hat, unbedingt in die Dolomiten. Für eine Kletterwoche, noch vor Saisonende!

Ich muss dringend mit Igor sprechen.

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