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Humor lustige Kurzgeschichten Satire

Die Räuberbande

© Michael Birken


1733 geschah es und es ist ein Tatsachenbericht, der frei erfunden ist.
Sie waren drei Brüder. Der Hauptmann, sein Vertreter und ein Azubi. Letzterer sollte erst ein richtiger Räuber werden. Sie wohnten im Wald in einer Holzhütte bei ihrer Mutter, die sie General nannten und Christine hieß.
Der Azubi namens Felix war das Sorgenkind des Generals, denn Felix wollte nicht begreifen, dass man als Räuber kein Dieb ist, sondern ein Räuber. Auf dem Markt wird nicht geklaut, sondern gekauft und bezahlt! Schließlich ist man anständig, so meinten der General und die beiden älteren Brüder.
Felix war aber so ein guter Dieb, dem man mit seinen sechzehn Jahren nicht ansah, dass er wie ein Rabe klauen konnte. Immer dann, wenn er sich etwas in die Hosentaschen gesteckt hatte, brachte er es zu seinem Korb, der im Gebüsch neben dem Markt versteckt war.
Alle Händler auf dem Markt freuten sich, wenn er auftauchte. Er kaufte zwar nie etwas, aber seine lustige Art gefiel ihnen. Warum kaufte er nichts? Weil er kein Geld hatte, das wussten die Händler oder sie dachten sich das so. Woher sollte so ein Kerlchen auch Geld haben.
Felix bekam hier und da von den Händlern etwas geschenkt, damit er nicht vom Fleische fällt und irgendwann wie ein Gerippe über den Markt wandelt. Dazu hatten ihn alle viel zu gern.
Ein halber Maisfladen von hier, ein Apfel von da, ein Stück Räucherfisch von dort ... Für Felix war der Markt so etwas Ähnliches wie ein Schlaraffenland. Und wenn sich der Abend dem Markt näherte, ging Felix zurück in den Wald zu seiner Mutter und den beiden älteren Brüdern.
Und er hatte viel dabei: vier ganze Maisfladen, vier Äpfel, vier Räucherfische, einen großen irdenen Krug Bier, eine lange Wurst ... Was soll's, Tabak hatte er auch für seine Brüder, Nähzwirn für seine Mutter ... Er schaffte alles heran.
Seine beiden Brüder hingegen, hatten bei ihren Raubzügen zumeist nichts erbeutet. Einmal war es eine Taschenuhr gewesen, aber die konnte man schließlich nicht essen und trinken oder gar rauchen.
Wenn Felix die Hütte betrat, warteten drei knurrende Mägen auf ihn.

"Wo kommst'n du jetzt erst her", schimpfte an diesem Abend der Räuberhauptmann namens Bernhard.
"Vom Markte."
"Und? Was hast du da im Korbe?", fragte zahntropfend der Stellvertreter des Räuberhauptmanns namens Hermann.
"Was schon. Hier, für euch!"
Während sich der Hauptmann, sein Vertreter und der General über das Diebesgut hermachten und es sich schmecken ließen, meinte Felix nachdenklich: "Wenn ihr mich nicht hättet ..."
"Ha!" Der Hauptmann zeigte stolz auf einen Geldbeutel, der auf dem Tisch lag. "Sieh da mal rein, du Grünschnabel! Zähle mal nach, wieviele Goldtaler da drin sind! Ha!"
Felix tat es und sagte: "Fünf Stück."
"Siehst du? Die haben wir heute erbeutet! Damit kommen wir drei Monate hin, du Rotznase!"
"So? Diese Goldtaler sind aber aus Messing ..."
Dem Hauptmann blieb ein Stück Räucherfisch im Hals stecken und sein Vertreter verschluckte sich an einem Hieb Bier.
"Was sagst du da?", fragte der General. "Die Goldtaler sind gar nicht echt? Woher willst du das wissen, Felix. Zeig mal her ..."

Die fünf Münzen waren tatsächlich unecht und unbrauchbar. Sie waren ja sogar gefährlich, denn wenn jemand mit einem falschen Goldtaler auf dem Markt erwischt wurde, kam er an den Pranger und wurde mit faulen Eiern beschmissen. Die beiden älteren Brüder wurden von ihrer Mutter mit den damals gebräuchlichen Schimpfworten wie "Esel" und "Hornochsen" traktiert, dass denen Hören und Sehen verging. Sie gebrauchte auch Neuerfindungen an Schimpfworten, wie "Taube Nüsse", "Klopphölzer" und "Sackgesichter", die seitdem aktuell sind.
"Ich habe doch gleich gewusst, dass uns der Kerl bescheißen will", meinte der Hauptmann nachdenklich. Dann sah er seinen Vertreter an: "Der hat doch sogar gefeixt, als er uns den Geldbeutel gegeben hat ..."
"Dann sind wir wohl reingelegt worden?", fragte der Vertreter naiv-vertrottelt.
Der Hauptmann winkte ob dieser dussligen Frage ab. "Du Blödmann ..."
Nun meldete sich der General. "Morgen nehmt ihr Felix mit! Felix? Hast du gehört? Du gehst morgen mit auf Raubzug! Du siehst wenigstens, ob etwas echt ist."
"Ja!", bestätigte der Hauptmann. "Zu dritt sind wir stärker!"
"Und was wollt ihr hinterher essen?", fragte Felix.
"Darum geht es jetzt nicht! Außerdem musst du lernen, wie ein Raubzug so ist!"
"Ähä ..."
Und der Vertreter sagte: "Felix, das wird nicht einfach. Aber ich helfe dir, wenn du etwas nicht begreifst ..."

Felix konnte fast die ganze Nacht nicht schlafen. Seine Brüder waren doch blöd wie Kaulquappen, die absolut nichts auf die Beine stellen konnten. Versager waren sie, Nichtsmerker. Aber gut, wenn es eben so sein solle, würde er sich das mal ansehen und hinterher zum Markt gehen, um sein Tagewerk zu verrichten. Der nächste Tag war ja auch noch ein Sonnabend, da musste er für zwei Tage englisch einkaufen gehen, weil sich nach dem blöden Ladenschlussgesetz von 1730 die Händler sonntags auf dem Markt nicht blicken lassen durften.
Im Morgengrauen schlief Felix doch noch ein. Er wurde aber von einem Alptraum befallen, der nichts Gutes voraussagte ...

Es war fast Mittag, als sich Bernhard, der Hauptmann also, und Hermann, der Vertreter des Hauptmannes, entschlossen, dass es nun auf Raubzug gehen könnte.
Um diese Tageszeit, so überlegte Felix, hatte er seinen versteckten Einkaufskorb in der Nähe des Marktes schon immer wenigstens zu viertelst voll gehabt. Und nun?
"Also!", rief der Hauptmann in hartem Ton. "Alles hört auf meinen Befehl!"
"Jawohl!!!", sagte sein Vertreter.
"Hä?", fragte Felix.
"Ich habe doch gleich gesagt, dass du das nicht gleich begreifst, Kleiner", meinte der Hauptmannvertreter. "Wenn der Hauptmann etwas sagt, dann ist das ein Befehl."
"So?"
"Jawohl! Und dieser Befehl muss befolgt werden!"
"Ähä. Und was wird jetzt?"
"Jetzt müssen wir den Befehl abwarten, Kleiner."
"So? Und wann ist das so weit? Wenn das noch eine Weile dauert, wird es Abend. Ich müsste eigentlich zum Marktplatz."
"Sei nicht so ungeduldig, Kleiner. Der Hauptmann muss sich doch jetzt erst einen Befehl ausdenken."
Bevor Felix 'So?' sagen konnte, brüllte der Hauptmann: "Aufbruch!!!"
"Hä?", fragte Felix. "Jetzt geht es wohl los?"
"Du hast's doch gehört!", schimpfte der Vertreter.

Nun gut. Die drei Räuber brachen zum Raubzug auf. Der Hauptmann und sein Vertreter hatten jeweils eine Vorderladerpistole dabei, Felix war unbewaffnet. Für ihn musste erst noch ein Vorderlader erbeutet werden.
Es ging durch den Wald zu einem Weg, der rege von Postkutschen befahren wurde, wie der Hauptmann meinte. Alle ein bis zwei Stunden käme eine Postkutsche vorbei, die überfallen werden musste. Ansonsten keine weiteren Postkutschen.
"Was soll denn das hier werden", fragte Felix nach einer Stunde, in der sich nichts getan hatte.
"Ruhe!", kam vom Hauptmann. "Abducken!"
"Abducken? Warum?"
"Hast's doch gehört, Kleiner. Das war ein Befehl."
"Ähä. Und warum? Hier ist doch niemand."
"Ruhe! Da kommt eine Kutsche!", schimpfte der Hauptmann leise. "Ich höre sie. Wenn sie heran ist, springen wir aus dem Gebüsch und halten sie an."
"Und dann?", fragte Felix.
"Was dann. Dann wird sie ausgeraubt. Was sonst."
"Und wenn sie nicht anhält?"
"Ruhe!", schimpfte der Hauptmann.
"Ruhe?"
"Hast's doch gehört", flüsterte der Vertreter.
Gut, dachte Felix. Sprungbereit machen und Postkutsche anhalten. Auf dem Markt ist es nicht so langweilig.

Die Kutsche näherte sich und die drei Räuber sprangen nach dem Befehl "Los!" des Hauptmanns aus dem Gebüsch und stellten sich auf den Weg. Der Mann auf dem Kutschbock zeigte den drei Räubern einen Vogel und die Kutsche fuhr einfach weiter, als wäre nichts gewesen.
"Ähä", meinte Felix. "So läuft das ab. Ihr stellt euch auf den Weg und werdet fast von den Pferden zertrampelt ... Ist das immer so?"
"Naja"; antwortete der Hauptmann kleinlaut, "das kommt ganz selten vor, dass eine Kutsche nicht anhält."
"Stimmt das?", fragte Felix den Vertreter.
"Hast's doch gehört!"

Die nächste Postkutsche ließ sich anhalten, besser gesagt, sie hielt von allein an, weil der Kutscher nach der nächsten Herberge fragen wollte. Als er von den verdutzten Räubern keine Antwort bekam, fuhr er einfach weiter und vier Augen klotzten der Kutsche hinterher. In zwei Augen standen jedoch vor Lachen die Tränen. "Kommt das ahahauch gahahans selten vohohor?"
Der Hauptmann winkte lässig ab. "Die habe ich weiterfahren lassen, weil da sowieso nichts zu holen gewesen wäre."
"Da muss man doch aber erst mal nachsehen. Die Leute in dieser Kutsche sahen nicht ärmlich aus."
"Ich habe da meinen Riecher!", schimpfte der Hauptmann.
"Ähä. Riecher?"
"Hast's doch gehört!"
"Ähä. Ich sage nichts mehr dazu. Ich gehe nun zum Markt, sonst haben wir heute und morgen nichts zu fressen."
"Du bleibst hier!", befahl der Räuberhauptmann. "Jetzt wirst du vereidigt!"
"Vereidigt?"
"Hast's doch gehört!"
"Is'n däs?"
"Jetzt leistest du den heiligen Schwur, mir, deinem Hauptmann, gegenüber Gehorsam zu üben und ihm nicht mehr reinzuquatschen. Ist das klar?"
"Klar, wird gemacht, Bruderherz. Ich schwöre!"
"Gut! Dann bist du jetzt bei uns aufgenommen ... Und du befolgst wirklich alle meine Befehle?"
"Klar, Junge!"
"Und stellst auch keine dussligen Fragen mehr, wenn es drauf ankommt?"
"Ne. Aber der Markt macht gleich dicht ..."

Felix durfte nicht zum Markt, und weil er den Schwur geleistet hatte, gehorchte er seinem großen Bruder, dem Räuberhauptmann. Dieser Schwur war Felix nicht einerlei, er war ihm sogar tatsächlich heilig, weil er in seinem Leben immer ehrlich gewesen war. Nun ja, der Marktplatz ... Man muss eben die verschiedenen Lebensbereiche auseinanderhalten können.

Kurz bevor die Räuberbande beschließen wollte, den Rückzug anzutreten, tauchte doch noch eine Postkutsche auf, die sich ganz leicht anhalten ließ. Der Kutscher war nämlich eingeschlafen und die Pferde wussten allein den Weg. "Brrr...", sagte der Hauptmann zu den Pferden.
Der Kutscher wurde gefesselt und geknebelt. Er bemerkte das nicht einmal, weil er voll wie ein Schnapsfass war. Das war für die drei Räuber natürlich arbeitserleichternd. Felix entfernte aber den Knebel wieder, weil der Mann sonst keine Luft zu bekommen schien. Der Hauptmann und sein Vertreter waren damit einverstanden, sie waren ja allesamt gute Menschen.
Und nun kam der harte Teil dieses Überfalls, besonders für Felix, der ja geschworen hatte, alle Befehle des Hauptmanns kompromisslos auszuführen.
Wer befand sich in der Postkutsche?
"Sieh du nach", befahl der Hauptmann seinem Vertreter. "Ich gebe dir Feuerschutz." Und zu Felix gewandt: "Du gibst ihm auch Feuerschutz!"
"Aber ich habe doch gar keine Pistole ..."
"Ach so. Na eben. Dann muss ich mich jetzt voll konzentrieren. Wenn etwas schief geht, bist du dann mein Vertreter. Nein! Was erzähle ich da!" Dem Hauptmann schien eingefallen zu sein, dass sein Vertreter auch sein Bruder war, genau wie Felix. "Hermann! Geh da weg!", brüllte der Hauptmann. "Mache die Tür nicht auf! Wir lassen das lieber sein!"
Schöne Räuberbande, dachte Felix. Alles Feiglinge, vor allem der Hauptmann. Sein Vertreter befolgte den Befehl, machte die Tür nicht auf und ging von der Postkutsche dann eben weg.
"Und nun?", fragte der Vertreter.
"Was? Kommt, wir hauen einfach ab."
Durch das Geplänkel waren die Insassen der Postkutsche, die sicherlich geschlafen hatten, erwacht und aufmerksam geworden. Die Tür ging auf und drei Damen stiegen aus.
"Wir sind wohl schon angekommen?", fragte die eine hübsche Frau, die wie ein junges Rehkitz aus der Kutsche gesprungen war.
"Scheint so", antwortete die zweite hübsche Frau. Das war das zweite Rehkitz. Dann sah sie beiläufig zu den Räubern. "Wo ist denn hier die Herberge?", fragte sie.
Der Räuberhauptmann antwortete: "Da, im Wald!" Dann flüsterte er seinem Vertreter und Felix zu: "Ihr wisst, was jetzt zu tun ist ..." Und nun rief er zu den Damen: "Ich zeige Ihnen den Weg."
"Das ist aber nett von Ihnen", sagte die eine junge, hübsche Frau.
"Ja, ja, sehr nett", kam von der anderen hübschen Frau. "Aber warum haben Sie eine Pistole?"
"Pistole? Äh... Ach so. Die brauche ich, weil manchmal Räuber auftauchen. Keine Angst, ich beschütze Sie."
Die dritte Frau hatte noch gar nichts gesagt, die Räuber hatten sie bisher auch nur von hinten gesehen, weil sie immer noch damit beschäftigt war, aus der Kutsche zu klettern. Das war also kein Rehkitz, sondern ein Reh. Und als sich dieses Reh den Räubern zuwandte, erschraken jene, weil es sich um ein uraltes, verschrumpeltes Weib handelte, welches auch noch boshaft zu sein schien. "Wo is denn nu die Herberge, hä?", fragte sie die Räuber durch einen zahnlosen Mund.
"I... Ich bringe Sie sofort hin ...", stotterte der Hauptmann.
"Aber dann hurrrtig!", krächzte sie.
Der Hauptmann sah fassungslos zu seinem Vertreter und flüsterte: "Was hat dieses alte Leder gesagt?"
"Hast's doch gehört."
"Das hat sie nicht gesagt, oder? Das hörte sich anders an. Da bietet man freundlich seine Hilfe an und wir dafür unhöflich angeknurrt. Ist egal. Ich führe die Weiber jetzt in den Wald und ihr räumt die Kutsche aus, macht schnell!"
"Hurrrtig, hurrrtig ...", krächzte die alte Schachtel wieder und der Hauptmann führte die drei Damen in den Wald.
Der Vertreter und Felix hörten immer wieder dieses "Hurrrtig, hurrrtig", was jedoch immer leiser wurde. Es konnte also losgehen. Nun wurde eine Postkutsche richtig professionell ausgeraubt. Felix stieg zuerst in die Kutsche. Aber was war das? Da gab es gar nichts zu holen. "Sag mal, was sollen wir hier machen?", fragte er den Vertreter.
"Hast's doch gehört!"
"Hier ist doch nichts."
"Ne?"
"Ne!!!?"
"Mist, dann ist das eine Nahverkehrskutsche."
"Und was machen wir jetzt?", fragte Felix.
"Was schon. Wir müssen das dem Hauptmann sagen. Die Weiber hatten doch Handtaschen, die müssen wir denen wegnehmen!"
"Auf die Idee hättet ihr gleich kommen können. Mir wäre das nicht passiert."
"Aber warum hast du dann nichts davon gesagt?"
"Ich soll doch nichts sagen."
"Hättest doch trotzdem was sagen können, Felix. Der Hauptmann und ich haben da nicht gleich dran gedacht."

Der Hauptmann hatte die drei Frauen nach Gutdünken durch den Wald geführt. Eine Herberge kam nicht in Sicht, konnte ja auch nicht. Es gab keine.
Er musste die Frauen im Kreis durch den Wald führen, um an der Stelle wieder herauszukommen, an der die Postkutsche stand. Dann wollte er sich einfach wieder verkrümeln. Das ständige "Hurrrtig, hurrrtig!" ging dem Hauptmann schon längst auf den Geist. Dann sah er seine beiden Brüder entgegenkommen, also seinen Vertreter und den Azubi Felix. Aber diese hatten keine Beute bei sich, wie er sah.
Den beiden jungen Frauen wurde nun bewusst, dass sie bei den Räubern waren, die gewöhnlicherweise im Walde sind. Nur die Alte krächzte: "Hurrrtig, hurrrtig!"
Dem Hauptmann war das nun zu viel, er zog die Pistole und schoss. Und sofort war es mit dem "Hurrrtig, hurrrtig" aus. Nicht etwa deshalb, weil er der Alten mit der Pistole das Lebenslicht ausgeblasen hatte, welches sich nur noch auf einem Kerzenstummel befinden mochte, nein, er hatte in die Luft geschossen und dabei versehentlich einen Uhu getroffen, der vom Baum heruntergefallen kam und genau vor den Füßen des alten Weibes zum Erliegen kam.
Die Räuberkulisse war somit perfekt. Sie hörten, wie die Postkutsche mit Karacho losfuhr, weil die Pferde den Pistolenknall gehört hatten. Alle drei Frauen zitterten vorerst, weil sie den Ernst der Lage erkannten, dann wurden sie ruhiger, denn diese Witzfiguren von Räubern waren eindeutig harmlos, wobei sie sich jedoch schwer irrten.
Als die drei Räuber nebeneinander vor den Frauen standen, überlegte der Hauptmann, wie der erste Befehl lauten könnte. Aha, dachte er stolz, als er brüllte: "Die Handtaschen abnehmen!"
Felix stand der Alten gegenüber, die eine schäbige Handtasche hatte, die sie vor hundert Jahren von ihrer Ururgroßmutter geerbt haben mochte. "Die von der Alten auch?", fragte er.
"Hast's doch gehört!", antwortete der Vertreter des Hauptmanns.
Der nächste Befehl kam: "Handtaschen durchsuchen!"
"Auch die von der Alten?"
"Hast's doch gehört!"
In allen drei Handtaschen war bis auf die Geldbeutel nur Plunder. Sie flogen daher zu Boden und lagen neben dem toten Uhu.
"Geldbeutel untersuchen!"
"Hast's doch gehört!"
"Ich habe doch gar nichts gesagt", schimpfte Felix.
"Ach so ... Tschuldigung."
Die Beute: drei Küpferlinge von der einen Frau, vier Küpferlinge von der zweiten, zwei von der Alten. Prima, dachte Felix. Neun Küpferlinge, die zwei von der Alten waren so alt wie die Alte selbst und gar nicht mehr gültig. Also nur sieben lumpige Küpferlinge, ein toller Raubzug. Dafür den ganzen Tag vertrödelt. Manometer. Sollte er mit diesem Geld einkaufen müssen, würde er eine halbe Gurke dafür bekommen, die so verschrumpelt wie diese Alte ist.
"Den Schmuck abnehmen!", lautete der nächste Befehl.
"Den von der Alten auch?"
"Hast's doch gehört!"
Gut, Felix war vereidigt, was ihm heilig war. Er musste diesen Befehl befolgen und nahm der Alten eine wertlose Halskette ab, die aus Glasperlen bestand, und warf sie zu Boden.
Nun lag auf dem Waldboden außer dem toten Uhu, drei Handtaschen und drei leeren Geldbeuteln noch viel mehr anderer Plunder. Die drei Frauen waren somit vollständig ausgeraubt. Es stand ihnen frei, alles wieder einzusammeln und der Hauptmann zog in Erwägung, dass sie auch den toten Uhu mitnehmen könnten, wenn sie wollten.
Doch dann kam dem Hauptmann der entscheidende Gedankenblitz!!! Es konnte doch gar nicht sein, dass die drei Frauen mit so wenig Küpferlingen unterwegs gewesen waren. Sie hatten das Geld unter ihren Kleiden versteckt! Jawohl!
"Die Damen ausziehen!", war daher sein nächster Befehl.
"Die Alte auch?"
"Hast's doch gehört!"
Gut, auch dieser Befehl musste befolgt werden. Die Kleider wurden hinterher durchgeschüttelt, aber da kamen keine Küpferlinge oder gar Goldtaler zum Vorschein. Die Frauen standen nun in ihrer Unterwäsche im Wald und der Hauptmann musste zum letzten Mittel greifen: "Ganz ausziehen!"
"Die Alte auch?"
"Hast's doch gehört!"
Nun standen die Frauen splitternackt im Walde. Aber in der Unterwäsche der Frauen war auch nichts zu finden, wenn man davon absah, dass Felix im Schlüpfer der Alten Gold entdeckte, welches man auch als Bremsspur bezeichnete.
Felix schüttelte es, als er diese Bremsspur sah.
Im Hauptmann musste ein wenig Zorn aufgekommen sein, denn er gab einen letzten, vermutlich verzweifelten Befehl: "Die Weiber vögeln!"
Sein Vertreter war nicht abgeneigt, diesen Befehl auszuführen, hatte er doch ein hübsches, junges Rehkitz vor sich. Dem Hauptmann selbst erging es ja nicht schlechter, auch ein hübsches, junges Rehkitz vernaschen?
Aber in Felix' Kopf schwirrten die Gedanken. Ihm befiel eine Ganzkörpergänsehaut und er dachte diesmal an Befehlsverweigerung. "D... D... Die Alte auch?"
"Has..." Der Vertreter stockte und sah die nackige Alte an, dann sah er zu Felix und hinterher zum Hauptmann, setzte jedoch seinen Standardausspruch nicht fort.
Dann krächzte die Alte mit schelmischem Blick: "Haste doch gehääärt! Hurrrtig, hurrrtig!"



Eingereicht am 01. Mai 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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