Haarige Geschichten
Kurzgeschichte - Haar, Haare, Frisur, Friseur, Haarfarben, blond, Blondine, Rothaarige, Glatze, Haarausfall, Bart, Rasur, Zöpfe, Locken, Dauerwellen ...

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Abenteuer im Frisiersalon

Abenteuer im Frisiersalon
Hrsg. Ronald Henss
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-9809336-0-5

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Frostklirrende Nacht

© Claudia Feltkamp

Soeben lugte der fahle Mond hinter einigen Wolken hindurch und warf blasses Mondlicht auf die Eisberge. Die Nacht kroch schleichend heran, als Tito immer noch durch den Eiswald ritt und dichte Nebelschwaben zwischen den Eisbergen hervor steigen sah. Er musste sich beeilen, denn wenn Nebel aufkam, konnte dieser so dicht werden, dass man sich leicht im Eiswald verirrte. Und nachts konnte es gefährlich im Eiswald werden. Man erzählte sich, dass dann böse Gestalten aus dem Untergrund aufstiegen und einen angreifen würden.

Tito rammte seinem schwarzen Hengst Sturmwind die Fersen in den Leib und das Tier rannte noch schneller. Es sprang über kleinere und größere Eisseen, auf denen Eisblumen schwammen und lustige Winterfrösche ihre Liedchen quakten. Titos langen Haare hatte er zu einem festen Zopf zusammengebunden, denn die Möglichkeit bestand, dass seine Haarpracht irgendwo hängen bleiben und ihn von seinem Hengst werfen oder gar töten konnte. Seine Haare waren so dick und kräftig, so glänzend und lang, dass jede Frau neidisch wurde, wenn sie Tito zum ersten Mal sah. Allerdings waren seine Haare nicht nur wunderschön, sondern konnten auch gefährlich für ihn werden.

Sturmwind brauste durch die Nacht, vorbei an gewaltigen Eisbergen und steilen, glatten Abhängen, an denen es viele Meter in die Tiefe bergab ging. Dann und wann flog ein Drogan durch die eiskalte Luft, der sich allerdings krächzend und Feuer speiend, in sicherer Entfernung von ihnen aufhielt. Die wenigen Drogane hier waren nicht gefährlich, sondern lebten still und friedlich vor sich hin. Endlich ritten sie durch das gewaltige Schneetor, dass über und über mit Kristallen bedeckt war und hinein in das Dorf der Tausend Sonnen. Nur hier, an diesem besonderen Ort, schien tagsüber die Sonne, wärmte die Dorfbewohner und ließ ihre Saat sprießen.

Tito konnte schon die ersten Hütten seines Dorfes erkennen und zügelte seinen Hengst, der in einen leichten Trab verfiel. Kurz bevor Tito an den Hütten angelangte, ließ er seinen Hengst in langsamen Schritt verfallen und ritt an den ersten Dorfhütten vorbei. Hier und da konnte er ein helles Feuer, in der Mitte der Hütten erkennen und dichte Rauchschwaden stiegen, aus den Schornsteinen heraus.

Eine melancholische Melodie drang an seine Ohren und er wusste, dass es Tristan war, der durch sein Flötespielen, den einen und anderen Kummer ausdrückte. Tristans Schicksal war es, dass er den Kummer der Dorfbewohner erspürte und diese traurigen Gefühle in melancholische Melodien auf seiner Flöte wiedergab. Auch Tito war mit einem Schicksal behaftet, dass ihn fortlaufend begleitete.

Tito kam an seine Hütte, in dem er mit seiner Mutter und seinen beiden kleinen Schwestern lebte. Der Vater war vor einigen Jahren verstorben und nun war es Tito, der für die Familie verantwortlich war und gut für sie sorgen musste. Tito führte Sturmwind in den Stall, zäumte ihn ab, gab ihm Futter und frisches Wasser. Als er die Hütte betrat, stieg ein köstlicher Duft in seine Nase. Er schnupperte und lächelte, weil er erkannte, dass es seine Lieblingssuppe war. In der Stube saßen seine Mutter und seine beiden Schwestern um einen Kessel herum, der über einem lodernden Feuer hing. Als sie Tito bemerkten, begrüßten seine Schwestern ihn stürmisch und seine Mutter gab ihm einen zarten Kuss auf die Wange. Gemeinsam setzten sie sich an das offene Feuer und begannen zu essen.

Auf einmal fragte die Mutter entsetzt: "Tito, wo ist deine Glücksmünze? Du trägst sie nicht mehr um den Hals."

Tito griff mit einer Hand an seinen Hals und erschrak fürchterlich. Seine Kette mit der Glücksmünze war nicht mehr da.

"Oh, nein", entfuhr es ihm. "Ich muss sie verloren haben, als ich durch den Eiswald geritten bin."

"Aber Tito, du weißt doch, dass du sie niemals ablegen oder verlieren darfst. Du musst sie gleich morgen in aller Frühe suchen gehen. Du weißt doch, was sonst geschieht."

"Ja. Ich weiß", flüsterte Tito und wisperte kaum hörbar, "Meine Haare beginnen und hören nicht mehr auf zu wachsen, schlingen sich langsam um meinen gesamten Körper und ..."

"So ist es", sprach die Mutter dazwischen. "Es gibt nur alle 50 Jahre ein Kind in unserer Familie, dem dieses Schicksal auferlegt ist und dieses Kind bist nun einmal du und deshalb hast du die Glücksmünze erhalten, die ein wachsen deiner Haare verhindert."

"Ich weiß Mutter. Ich werde gleich bei Sonnenaufgang los reiten und die Glücksmünze finden. Ich komme nicht eher zurück, bis ich sie gefunden habe."

"Gut so mein Sohn. Ich weiß, du wirst sie bald finden. Nun iss auf und geh schlafen."

Schweigend schlürften alle ihre Suppenschüsseln leer und begaben sich in ihre Betten.

Ganz früh am nächsten Morgen, als gerade die ersten Sonnenstrahlen hinter den Bergen hervorkamen, stand Tito schon im Stall und sattelte Sturmwind. In der Nacht waren seine Haare schon ein Stück gewachsen und bedeckten nun seinen gesamten Rücken. Er machte sich einen festen Zopf, stieg auf seinen Hengst und ritt davon.

Als er durch das Schneetor in den Eiswald hinein ritt, hatte der Nebel sich fast verzogen und das Eis glitzerte in der Morgendämmerung. Ein eiskalter Wind wirbelte puderigen Schnee auf und ließ ihn leicht frieren. Tito mochte den Eiswald nicht besonders gern und doch war es nötig dann und wann hindurch zureiten, um in das nächste Dorf zu gelangen, in dem sie sich ihre Saatkörner und andere Dinge besorgten. Tito zügelte seinen Hengst Sturmwind und ritt nun langsam denselben Weg entlang, den er gestern Abend auch entlang galoppiert war. Suchend blickte er auf den Boden, ob er wohl seine Glücksmünze erblicken würde. Doch er sah nirgendwo etwas Leuchtendes im Schnee liegen oder auf dem Eis funkeln. Um die Glücksmünze besser erkennen zu können, stieg er sogar von seinem Hengst ab und ging neben ihm her.

Viele Stunden war er nun schon im Eiswald unterwegs, ohne seine Glücksmünze zu entdecken und er merkte deutlich, wie schnell seine Haare wuchsen. Mittlerweile hing ihm der Zopf schon bis in die Kniekehlen. Er erreichte das nächste Dorf und beschloss, dass er dorthin zurück kehren wollte, wo er gestern Abend gewesen war. Bald darauf band Tito Sturmwind an dem Holzzaun fest und klopfte an die Tür seines Freundes, dem Schuster Schuhmi.

"Grüß dich Tito. Sobald habe ich dich gar nicht wieder erwartet."

"Hallo Schuhmi. Ich bin hier, weil ich meine Glücksmünze verloren habe. Hast du sie gefunden?"

Erst jetzt bemerkte Schuhmi, dass Titos Haare ihm schon fast bis zu dem Boden reichten.

"Nein, es tut mir leid. Ich habe deine Glücksmünze nicht gefunden."

"Ich bin schon den halben Tag unterwegs. Immer durch den Eiswald und Sturmwind ist müde."

"Ich habe eine gute Idee", meinte da sein Freund der Schuster. "Wenn du dir deine eigenen Schuhe selber machst, tragen sie dich weiter und überall hin, wo du nur willst, ohne, dass deine Beine müde werden."

"Gut. Mit deiner Hilfe werde ich mir meine Schuhe selber machen."

"Komm herein. Ich helfe dir sehr gerne dabei und zeige dir, wie du sie selber machen kannst."

Damit saßen sie eine ganze Weile in der Werkstatt und Tito machte sich seine eigenen Schuhe. Plötzlich fielen Tito die Haare in das Gesicht und er entdeckte, dass seine kräftige Haarpracht das Band durchgerissen hatte, mit welchem er seinen Schopf zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Zum Glück wurden seine Schuhe genau in diesem Augenblick fertig und er konnte sie anziehen, verließ das Haus seines Freundes und ging wieder in den Eiswald zurück.

Vergebens versuchte Tito seine Haare mit einem neuen, stärkeren Band zu bändigen. Mittlerweile hing ihm seine Haarpracht bis auf den Boden und einzelne Strähnen begannen sich um seinen Oberkörper zu flechten. Energisch entwirrte Tito das Haar, versuchte sich einzelne Zöpfe zu flechten, in der Hoffnung, dass keine Haarsträhnen sich so um seinen Körper binden konnten. Doch mit den geflochtenen Zöpfen glichen seine Haare gar einem starken Seil, dass sich weiter um seinen Oberkörper schlängelte, seine Arme unter Kontrolle bekommen wollte. Die Haarzotteln wickelten sich um seinen Hals und versuchten ihm die Luft abzudrücken, aber Tito griff flink nach einem Messer und schnitt die widerspenstigen Zotteln durch. Das hinderte seine Haarpracht jedoch nicht daran auch weiterhin zu wachsen und zu wachsen. Tito wusste, dass er nicht verzweifeln oder sogar aufgeben durfte und kämpfte weiter mit seinen Haaren und dem Schicksal, dass ihm seit seiner Geburt auferlegt worden war.

In dieser Nacht wurde es bitterkalt und ein leiser Wind heulte durch die Eislandschaft, so dass die feinen, dünnen Eiszapfen klirrten, teilweise abbrachen und zu Boden fielen. Ein Gutes hatte seine Haarmähne, denn sie wärmte seinen Körper vor der Kälte. Die Haare waren so dick und lang, dass sie sich wie einen Mantel um seinen Körper legten.

Es war so still, dass Tito nur seine eigenen Schritte vernahm, die im Schnee knirschende Geräusche verursachten. Jedoch hatte Schuhmi recht und seine Schuhe ließen ihn laufen und laufen, ohne das er müde wurde oder kalte Füße bekam. Unerwartet fuhr Tito urplötzlich zusammen, als ein entsetzliches Geschrei die Stille durchbrach. Ein Heulen und Sausen durchdrang die Nacht und ließ Tito erstarren. Sollten das etwa wirklich diese unheimlichen und grauenhaften Gestalten sein, von denen man sich erzählte?

Blitzartig überflog ihn ein Flundan, eine Art fliegender Fisch mit scharfen Zähnen und einer messerscharfen Zacke am Schwanz. Der Flundan kam näher, überflog ihn und versuchte, ihm die scharfe Schwanzzacke auf den Kopf zu schlagen. Tito bückte sich augenblicklich und die Schwanzzacke sauste knapp über seinem Kopf hinweg. Er hoffte, das der Flundan wegfliegen würde, irrte sich aber, denn der Flundan drehte um und flog abermals auf ihn zu. Dabei öffnete er auch noch gefährlich sein Maul und ließ seine scharfen Zähne aufblitzen. Tito überlegte kurz, was er tun sollte und dann kam ihm eine Idee.

Schnell griff er einige seiner Haarsträhnen, drehte sie zu einer Art Schlinge zusammen und schwang dann das lange Haarseil über seinem Kopf. Der Flundan fauchte nun gefährlich und öffnete sein breites Maul noch ein Stück weiter. Doch gerade als er zuschnappen wollte, warf Tito das Haarseil um den Kopf des Flundan und zog ihn auf den Boden. Mit einem gewaltigen Platsch landete der Flundan in einem See und schlug verzweifelt mit den Flügeln. Flundane verabscheuen das Wasser und wenn es zudem auch noch so bitterkalt ist, wie hier im Eiswald, ist es ganz besonders schlimm für sie. Tito ließ den Flundan noch einige Minuten zappeln, bis er müde wurde und ging dann erst zu ihm und befreite den Flundan aus der Haarschlinge. Der Flundan hatte keine Kraft mehr weiter zu kämpfen und blieb erschöpft und frierend auf dem Eis liegen. Tito entwirrte seine Haarflechten und ging weiter.

Plötzlich hörte er ein Klirren hinter einem großen Eisberg und blieb erschrocken stehen. Was war es dieses Mal? Er schlich vorsichtig an den Eisberg heran, konnte allerdings nichts erkennen, bis ein gewaltiger Schatten auf den Eisboden fiel und eine unheimliche Gestalt zur Erscheinung brachte. Erleichtert erkannte Tito jedoch sogleich, zu wem dieser gruselige Schatten gehörte und er atmete erleichtert auf. Es war Ursula, die alte Heilerin, die in einer versteckten Höhle hauste und nur herauskam, wenn sie Zutaten für ihre Medizin brauchte oder in die Dörfer ging, um ihre Medizin zu verteilen.

"Wer ist dort?", fragte Ursula mit ihrer tiefen, krächzenden Stimme.

"Ich bin es, Tito."

Ursula schaute hinter dem Eisberg hervor und kam langsam auf Tito zu.

"Aha", grunzte sie. "Wie ich sehe, hören deine Haare nicht auf zu wachsen."

"Ich habe meine Glücksmünze verloren, die verhindert, dass meine Haare wachsen. Hast du sie vielleicht gesehen?"

"Mmh. Deine Glücksmünze hast du also verloren. Lass mich mal nachdenken. Ja, ja ich habe sie gesehen."

"Wo?" wollte Tito sofort wissen.

"Ich sah etwas Leuchtendes im großen See der Traurigkeit. Es glitzerte so schön durch die Wasseroberfläche. Ich führe dich hin."

Gemeinsam gingen sie ein Stück durch den Eiswald, bis sie an einen großen See kamen, der so dunkel schien, dass man tatsächlich dort unten auf dem Grund des Sees etwas funkeln und glitzern sehen konnte.

"Das muss sie sein", rief Tito erfreut.

"Ja, aber der See ist heimtückisch, weil er einen verborgenen Sog hat, der dich nach unten zieht und dort festhalten will. Ich könnte dich allerdings an deinen langen Haaren festhalten und wieder heraufziehen."

"Bist du so kräftig?"

"Vielleicht nicht, aber deine Haare sind jetzt schon so lang, dass wir sie hier um diesen kleinen Baum wickeln können. Wenn ich sie dann noch festhalte, gleiten deine Haare mir nicht so leicht aus den Händen."

"Ja, das würde gehen. Dann tun wir das."

Ursula und Tito wickelten seine Haare einmal um den Baumstamm und Ursula krallte ihre Finger in die Haare von Tito. Der sprang in das eiskalte Wasser und schwamm mit langen Zügen auf den Grund des Sees. Er sah seine Glücksmünze funkeln und griff nach ihr. Dann spürte er den Sog, der ihn versuchte in der Tiefe festzuhalten. Allerdings merkte er auch, wie sehr Ursula nun an seinen Haaren zog und versuchte, ihn wieder an die Oberfläche zu ziehen. Ursula war zwar alt, sie war aber immer noch stark und schaffte es wirklich, Tito an seinen Haaren wieder nach oben zu ziehen.

Tito stieg aus dem Wasser und hielt freudig seine Glücksmünze in der Hand. Sogleich legte er sich die Kette um den Hals und wartete. Seine Haare hörten sichtbar auf zu wachsen und die dicken Haarsträhnen, die sich um seinen Oberkörper gebunden hatten, konnte er nun ganz leicht lösen.

"Wie kann ich dir danken Ursula?"

"Mmh. Also wenn du dir nun deine Haare wieder abschneiden wirst, könntest du sie mir schenken."

"Das tue ich sehr gerne."

"Dann ist es gut", erklärte Ursula und verabschiedete sich von ihm.

Tito war überglücklich und ging zu seinem Freund dem Schuster zurück, wo sein Hengst geduldig auf ihn wartete.

Doch als er den Eiswald verlassen wollte, hörte er eine liebliche Stimme, die himmlisch klingende Lieder sang. Er hielt inne und lauschte. Diese Stimme war so lieblich und zart, so reizend und bezaubernd, dass sie ihn in ihren Bann zog. Wie besessen, schwankte er durch den Eiswald, immer dieser wunderschönen Stimme entgegen. Er spürte den eiskalten Wind nicht mehr in seinem Gesicht, er dachte nicht mehr an seinen Hengst oder das es besser wäre, den Eiswald vor der Dunkelheit zu verlassen. Er hatte nur noch Ohren für diese süße Stimme, die immerfort wunderschöne Melodien sang.

Auf einmal ritt ein Dorfbewohner auf seinem Pferd an ihm vorbei und rief ihm nur zu: "Lauf fort, lass dich nicht von dieser Stimme in die Irre führen oder du bist verloren."

Während der Reiter davon ritt, steuerte Tito weiter in die Richtung, aus der er diese Stimme vernahm. Er dachte nicht an irgendwelche Gefahren, sondern wollte nur wissen, wer so schön sang. Hinter den Eisbergen sah er schließlich einen Höhleneingang und davor saß eine bildhübsche junge Frau. Sie hatte lange, tiefschwarze Haare, die ihr bis zu den Knöcheln gingen und seidig schimmerten. Tito kam näher an sie heran, doch als die junge Frau ihn bemerkte, fuhr sie erschrocken zusammen.

"Habe keine Angst. Ich tue dir nichts. Ich bin deinem lieblichen Gesang gefolgt und freue mich, dass ich dich nun gefunden habe."

Die junge Frau sah ihn ein wenig ängstlich an, aber als sie seine langen Haare erblickte, lächelte sie ihm freundlich zu.

"Ich sehe, dass dich dasselbe Schicksal getroffen hat wie mich", erklärte sie ihm und nahm ihre Haarpracht in ihre Hände.

Tito schaute auf ihre langen Haare, verstand, was sie meinte und kam näher zu ihr herüber. Er konnte keine Glücksmünze entdecken und fragte deshalb: "Wieso trägst du keine Glücksmünze, die dich vor dem Wachsen deiner Haare beschützt?"

"Weil ich ein Glücksarmreifen trage, siehst du?"

Sie hob ihren Arm und tatsächlich funkelte ein dicker Armreif an ihrem Handgelenk.

"Und warum bist du ganz alleine hier im Eiswald?" erkundigte Tito sich bei ihr.

"Weißt du denn nicht, dass heute die Nacht ist, in der unser Schicksal gebrochen werden soll?"

"Nein, dass wusste ich nicht. Wodurch soll es denn gebrochen werden?"

"Heute ist die Nacht, in der drei Sterne vom Himmel in diesen See fallen sollen. Wenn wir anschließend von dem Sternenwasser trinken, werden unsere Haare so sein, wie bei allen anderen auch."

"Das wäre ja toll. Ich warte mit dir."

So saßen sie dort zusammen und warteten die ganze Nacht, aber es viel kein einziger Stern vom Himmel herab in den See. Allmählich sank der Mond tiefer und die Sonne stieg langsam am Horizont auf. Die junge Frau, die Scheila hieß, wurde immer trauriger. Tito versuchte sie zu trösten, erzählte ihr lustige Geschichten und dann nahm er ihre Hand in seine und streichelte sanft darüber. Als das Feuer erlosch und die Dunkelheit der Nacht verschwunden war, brauchten sie keine Worte mehr, um auszudrücken, was sie füreinander empfanden. Allein durch ihre Blicke wussten sie, dass sie zwar nicht von ihrem Schicksal ihrer Haare erlöst worden waren, jedoch ihr gemeinsames Schicksal sie beide zueinander geführt hatte. Endlich lächelte Scheila wieder und Tito nahm ihr Gesicht behutsam in seine Hände und gab ihr einen zarten Kuss.

"Komm mit mir", sagte er zu Scheila. "Mein Hengst steht bei einem Freund im nächsten Dorf. Ich möchte dich mitnehmen in mein Dorf der Tausend Sonnen."

"Ich möchte sehr gerne mit dir kommen", meinte Scheila.

Hand in Hand gingen beide durch den Eiswald, glücklich einander gefunden zu haben.



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