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Fußballgeschichten
© Dr. Ronald Henss Verlag
Kurzgeschichten - Erzählungen - Geschichten - rund um das Thema Fußball

Katte-Nadscho

© Elvira Frankenheim

Wir schreiben das Jahr 1978. Man geht in Schlaghosen zu Kellerfeten, wo man sich zu der Musik von Abba mutig betrinkt und verbotene Joints raucht. Wenn man dem Kalender Glauben schenkt, ist es Sommer in Deutschland. Die Clique trifft sich fast täglich auf der von der Kreissparkasse gesponserten roten Parkbank einer Grünanlage. Ich mit meinem Freund natürlich immer dabei.

Erwin war 18, zwei Jahre älter als ich.

Man organisierte ein Fußballspiel gegen Jugendliche aus einem anderen Stadtteil, der einen besonders hohen Ausländeranteil aufwies. Das Gekicke fand auf einem Ascheplatz der Rasensportfreunde Rot-Weiß 33 epfau statt, der direkt an unserer Grünanlage angrenzte. Also für uns ein Heimspiel. Die Tore waren ohne Netz. Der Schiedsrichter hieß Hubert, war etwas über 40 Jahre alt und trug eine Brille mit dicken Minus neun Komma fünf Dioptrien Gläser. Wenn er nicht ein oranges Jägermeister T-Shirt und Bermuda-Shorts angehabt hätte, ginge er locker als ein Professor von der Uni durch. Die Gäste machten mit ihren Mofas, Mopeds, Mokicks und Kleinkrafträder ein Menge Krach, als sie ankamen. Vor dem Spiel wurde noch kurz über die Regeln gesprochen. Man einigte sich auf 2 mal 30 Minuten. Drei Ecken ein Elfer lehnten alle ab. Es konnte losgehen. Mein Freund Erwin im Tor. Zuschauer, wenn´s hoch kommt, 30 Leute.

Hubert putzte noch schnell seine Brille und pfiff dann an. Erwin trat seine Kippe aus. Schöne Spielzüge waren Mangelware, aber man gab sich Mühe. Man glänzte mit unnötigen Fehlpässen auf beiden Seiten. Ab und zu gelang doch mal ein Pass. Mit dem Foulen hielt man sich zurück. Das überraschte etwas, weil Jungs aus anderen Stadtteilen von unseren grundsätzlich als Erzfeinde gesehen wurden. Unsere Mannschaft war zunächst klar besser. Leider stand es zur Halbzeit nur Null zu Null.

Zum Anstoß der zweiten Spielhälfte verlangte Hubert den Ball. Ein Spieler von der gegnerischen Mannschaft warf ihm das Leder zu. Hubert wurde aber just in dem Moment eben abgelenkt und der Ball traf ihn unerwartet voll ins Gesicht. Ein Bügel der Brille brach ab. Hubert entschloss sich trotzdem, das Spiel zu Ende zu leiten, obwohl er ohne Brille so gut wie blind war. Wir hatten Anstoß und gleich der erste Angriff war erfolgreich. Peter Pöller schoss das Tor. Wir alle am jubeln wie die Weltmeister. Der Torschütze machte voll die Show. Zog sein Trikot aus, fiel auf die Knie, dankte dem Himmel und lief dreimal um den ganzen Platz. Nach dieser kleinen Einlage war er so kaputt, dass er erst mal einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche nehmen musste.

Das Match ging weiter. Danach stellte sich unsere nur noch hinten rein.

Geschickt wurde der Ball in der eigenen Hälfte gehalten. Salvatore, ein Sizilianer und Anhänger von den anderen, schrie dauernd irgendwas mit "Scheiß Katte-Nadscho" und regte sich über unsere Taktik auf, geh ich mal stark von aus. Die Bedeutung des Wortes Katte-Nadscho ist mir bis heute ein Rätsel geblieben. Dann doch der Gegentreffer zum Ausgleich. Wir wurden alle ganz still. Aber das Spiel war noch nicht zu Ende. Jetzt machten unsere wieder wie zu Anfang der Begegnung mächtig Druck. Die Gäste waren viel zu offensiv eingestellt und verteidigten mit viel zu wenig Mann. Plötzlich gab Salvatore seinem Team lautstark taktische Anweisungen. "Katte-Nadscho spielen jetzt! Alle!" Aber zu spät. Wieder gingen wir in Führung und wieder war Peter Pöller der Torschütze. Diesmal blieb das Trikot an, er drehte auch nur eine halbe Runde und fiel dann erst auf die Knie, und kam von alleine nicht mehr hoch. Man wechselte ihn aus. Ins Spiel kam der lange Jo. Der Umfang seiner Oberschenkel und der Umfang meiner Oberarme hatten ungefähr das gleiche Maß.

Zehn Minuten vor Schluss ging es nach unserem Führungstreffer jetzt erst richtig los. Jetzt wurde richtig gekämpft. Jetzt wurde richtig gefoult. Eine Minute vor Ende des Spiels passierte es dann. Der Schiri pfiff Elfmeter gegen uns. Jo legte mit seinen langen Stelzen einen Gegner im eigenen Strafraum um. Ich drückte Erwin die Daumen. Der gegnerische Spieler, ein Türke, lief an, schoss und verwandelte den Elfer wirklich unhaltbar in die linke untere Ecke. Ein Mädchen aus unserer Clique, ich meine Dagmar war´s, zickte, ihr Freund hätte den aber gehabt.

Weil kein Netz vorhanden war, landete der Ball dann irgendwann irgendwo im Gebüsch. Und da der gute Hubert seine nötige Brille nicht auf hatte, war er der Überzeugung, der Ball wäre am Tor vorbei gegangen. Er pfiff dann Torabstoß. Unser Gegner war entsetzt. Seine Fans auch. Der Tifoso schrie jetzt heftig "Stronzo" und sein stark alkoholisierter griechischer Freund brüllte wie verrückt dauernd "Malaka". Mit diesen Wörtern konnte ich diesmal was anfangen.

Auf dem Platz wurde nun zunächst mit dem Schiri diskutiert, dann wurde unter den Spieler diskutiert, dann wurde mit Fäusten diskutiert bis der erste niedergeschlagen wurde. Es war ein gegnerischer Spieler und ich vermute, der kam aus Ägypten, Lybien, Saudi-Arabien oder zumindest so was aus der Richtung Mekka. Ein mir unbekanntes kopftuchtragendes Weib wurde hysterisch und rannte schimpfend aufs Feld zu dem auf dem Boden krümmenden Spieler.

Entweder war sie seine Freundin, die Freundin seines Bruders, die Freundin seiner Schwester, seine Cousine, seine Nichte, die Nachbarin, eine Schulkameradin, seine Tante, seine Mutter oder irgendjemand anderes von der El Quaida.

Das Spiel wurde abgebrochen und wir als Sieger erklärt. Bierpullen und eine halbvolle Flasche Ouzo flogen aufs Spielfeld. Polizei und ein Krankenwagen mussten gerufen werden. Salvatore wurde verhaftet und sein Messer sichergestellt. Der schwor Rache und drohte mit seinem großen Bruder. Rudel bildeten sich und weitere Streifenwagen kamen. Erwin sagte zu mir: "Komm, lass uns sehen, dass wir schnell von hier verschwinden." Bevor wir auf seinem Kreidler-Mokick davon düsten, montierte Erwin eben schnell noch ein paar Zündkerzenstecker von den fremden Zweirädern ab und schmiss sie in die Büsche.

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